6.1.01. Anhängigmachen eines Falls

Rechtsgrundlagen

Art. 22 Abs. 1 SHEG

Art. 32 SHEG

 

Erläuterungen

1.   Gesuchstellung der Betroffenen

In der Regel meldet sich die betroffene Person persönlich auf dem Sozialdienst, um einen Antrag auf wirtschaftliche Hilfe zu stellen. Die meisten Sozialdienste verlangen dabei, dass ein standardisierter Unterstützungsantrag ausgefüllt wird, in welchem die für die Anspruchsprüfung notwendigen Angaben gemacht werden. Es kommt aber auch vor, dass die betroffene Person schriftlich um Ausrichtung von wirtschaftlicher Hilfe ersucht. Da für die Behandlung des Gesuchs um wirtschaftliche Hilfe nicht nur die finanziellen, sondern auch die persönlichen Verhältnisse relevant sind, wird die betroffene Person in diesen Fällen aufgefordert, persönlich zu erscheinen. Sinnvollerweise teilt man ihr dabei gleichzeitig mit, welche Unterlagen sie zusätzlich zu allenfalls bereits eingereichten Belegen mitbringen muss. Dasselbe gilt auch bei telefonischer Kontaktaufnahme.

Für die betroffene Person ein Gesuch einreichen kann beispielsweise im Rahmen seines / ihres Aufgabengebiets auch ein Beistand oder eine Beiständin. Dies ist regelmässig bei dauernd nicht mit den Eltern zusammenlebenden Kindern der Fall.

Bei zusammenlebenden Ehegatten oder eingetragenen Partnern / Partnerinnen ist es grundsätzlich erforderlich, dass beide den Unterstützungsantrag unterzeichnen und über ihre Verhältnisse Auskunft geben.

Für das Anhängigmachen eines Sozialhilfegesuchs ist grundsätzlich keine Schriftlichkeit gefordert (Art. 32 Abs. 2 SHEG). Eine erste Kontaktaufnahme mit der Behörde kann aber noch nicht einem tatsächlichen Gesuch um wirtschaftliche Hilfe gleichgestellt werden. Wenn jemand allerdings im Rahmen des mündlichen Vorsprechens Auskunft über seine Verhältnisse erteilt und die notwendigen Belege oder zumindest einen Teil davon einlegt, kann man von einer Antragstellung ausgehen, auch wenn das Anmeldeformular noch nicht ausgefüllt und unterschrieben vorliegt.

 

2.   Eingang eines Kostengutsprachegesuchs

Der Eingang des Kostengutsprachegesuchs einer Drittstelle, welche eine notwendige Leistung für eine Person erbringen will, diese aber nicht oder nicht sicher in der Lage ist, dafür aufzukommen, ist ebenfalls als Gesuch um Ausrichtung wirtschaftlicher Hilfe zu verstehen. Wird um direkte Kostengutsprache ersucht, ist in der Regel eine vollständige Abklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Situation der betroffenen Person notwendig (vgl. dazu Kapitel 10.1.01). Geht es nur um eine subsidiäre Kostengutsprache, weil grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Kosten anderweitig gedeckt werden, muss der Leistungserbringer nachweisen, dass seine Forderung nicht einbringlich ist (z.B. Kapitel 10.2.01).

Ist aufgrund eingelöster Kostengutsprachen wahrscheinlich, dass eine Person in einer über diese Leistung hinausgehender Notlage ist, klärt die Sozialbehörde von sich aus ab, ob weitere Hilfe beansprucht werden darf (vgl. unten Ziffer 3).

3.    Meldung einer Notlage durch Dritte

Zwar wird wirtschaftliche Hilfe in der Regel auf Gesuch hin gewährt. Wenn die Sozialbehörde aber anderweitig von der Hilfebedürftigkeit einer Person Kenntnis erhält, hat sie diese auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich mit einem Gesuch um Hilfe an die Sozialhilfebehörde ihres Wohn- oder Aufenthaltsorts zu wenden (Art. 32 Abs. 1 SHEG). Sie darf also nicht zuwarten, bis sich die betroffene Person selber meldet, sondern sie muss mit ihr rechtzeitig Kontakt aufnehmen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der betroffenen Person auch in diesen Fällen die wirtschaftliche Hilfe nur angeboten, aber nicht aufgezwungen werden darf.


Rechtsprechung

VB.2017.00507: Sozialhilfe: Prüfung des Unterstützungsanspruchs erst nach Einreichung eines Gesuchs um wirtschaftliche Hilfe mittels Formular.
Die Beschwerdeführerin II machte geltend, bei der Sozialbehörde persönlich vorgesprochen und ihre Notlage geschildert zu haben, weshalb der Unterstützungsbeginn auf diesen Zeitpunkt festzulegen sei. Das von der Sozialbehörde übergebene Formular zur Stellung eines Gesuchs um wirtschaftliche Hilfe reichte die Beschwerdeführerin II jedoch erst rund vier Monate später ein, weshalb ihre Unterstützungsbedürftigkeit erst in diesem Zeitpunkt geprüft wurde. Ein erster Kontakt mit der Behörde kann noch nicht einem tatsächlichen Gesuch um wirtschaftliche Hilfe gleichgestellt werden. Der Beginn der wirtschaftlichen Hilfe fällt mit der Gesuchseinreichung zusammen. Die wirtschaftliche Hilfe ist auch dann ab diesem Zeitpunkt geschuldet, wenn sich die Sachverhaltsabklärung in die Länge zieht. Die Beschwerdeführerin II hätte somit auch ohne bereits über sämtliche Unterlagen zu verfügen, das Formular ausgefüllt einreichen können (E. 4.3).

VB.2017.00097: Der Beschwerdeführer meldete sich zwar bereits Anfang Dezember 2015 erstmals am Schalter der Gemeindeverwaltung und erhielt ein Anmeldeformular für Sozialhilfe. Weder legte er dabei aber seine finanziellen Verhältnisse konkret dar, noch füllte er in der Folge das Anmeldeformular aus. Erst Mitte Januar 2016 reichte er der Beschwerdegegnerin das (neue) Anmeldeformular ein. Unter diesen Umständen ist nicht zu beanstanden, dass die Beschwerdegegnerin das Gesuch um Sozialhilfe erst mit Einreichung des Anmeldeformulars als gestellt erachtete und ihn erst ab diesem Zeitpunkt mit wirtschaftlicher Hilfe unterstützte (E. 4).


Praxishilfen

Antrag auf Unterstützung durch die öffentliche Sozialhilfe

Vgl. Muster für einen Unterstützungsantrag in der Anlage

Anlagen