Rechtsgrundlagen
Gesetz über die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 27. Juni 1911, SHR 210.100), EGZGB
Justizgesetz (JG) vom 9. November 2009 (SHR 173.200)
Erläuterungen
1. Einleitung
Am 1. Januar 2013 ist das revidierte Kindes- und Erwachsenenschutzrecht in Kraft getreten. Ziele der Revision waren unter anderem
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die Förderung des Selbstbestimmungsrechts (Vorsorgeauftrag im Allgemeinen und für medizinische Massnahmen sowie Patientenverfügung, vgl. Art. 360 - 373 ZGB),
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Einführung des gesetzlichen Vertretungsrechts durch Ehegatten und eingetragene Partnerinnen oder Partner im Rechtsverkehr und bei medizinischen Massnahmen, wenn eine Person urteilsunfähig wird (vgl. Art. 374 - 381 ZGB),
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Verbesserung des Schutzes von Bewohnerinnen und Bewohnern von Wohn- und Pflegeeinrichtungen (vgl. Art. 382 - 387 ZGB),
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Einführung der behördlichen Massnahmen nach Mass im Erwachsenenschutz (vgl. Art. 388 - 425 ZGB),
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Verbesserung des Rechtsschutzes im Bereich der fürsorgerischen Unterbringung (vgl. Art. 426 - 439 ZGB; bisher fürsorgerischer Freiheitsentzug),
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Professionalisierung der Behördenorganisation (vgl. Art. 440 ZGB).
Im neuen Recht stehen die Selbstvorsorge und der Schutz durch die Angehörigen im Vordergrund. Der Staat soll zum einen nur dann eingreifen, wenn die privat getroffenen Vorkehrungen nicht ausreichen. Zum anderen soll der Staat nur soweit eingreifen, als es unbedingt erforderlich ist. Diesem Grundsatz folgend gibt es heute - neben der fürsorgerischen Unterbringung - nur noch das Instrument der Beistandschaft. Diese wird massgeschneidert angeordnet, d.h. dem Beistand bzw. der Beiständin werden die Aufgaben übertragen, welche im konkreten Einzelfall notwendig sind.
Angeordnet werden die Massnahmen neu durch eine professionelle, interdisziplinär zusammengesetzte Fachbehörden, die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB). Diese lösen die bisherigen kommunalen Vormundschaftsbehörden ab. Die KESB fällt ihre Entscheide mit mindestens drei Mitgliedern, wobei die Kantone für bestimmte Geschäfte Ausnahmen vorsehen können (vgl. für den Kanton Schaffhausen Art. 57c und d des Justizgesetzes). Die Kantone bestimmen auch die konkrete Organisation der KESB (Art. 440 ZGB).
2. Die Behördenorganisation im Kanton Schaffhausen
2.1. Grundsätze
Der Kanton Schaffhausen hat sich für ein kantonales Behördenmodell entschieden. Die KESB ist interdisziplinär zusammengesetzt.
2.2. Zusammensetzung der KESB
Die KESB besteht aus mindestens drei Mitgliedern.
2.3. Aufsicht
Aufsichtsbehörde über die KESB ist das Obergericht (Art. 6 Abs. 1 des Justizgesetzes). Sie kann den KESB Weisungen erteilen, Kreisschreiben erlassen, Auskünfte erteilen, Schulungen organisieren, Inspektionen durchführen und von Amtes wegen bzw. auf entsprechende Anzeige hin bei fehlerhafter Führung der Geschäfte oder Feststellung von Unregelmässigkeiten einschreiten. Einen Entscheid der KESB im Einzelfall kann sie aber nicht korrigieren, dies ist Sache der Rechtsmittelinstanz
Exkurs:
Das Bundesrecht schreibt den Kantonen vor, Wohn- und Pflegeeinrichtungen, in denen urteilsunfähige Personen betreut werden, einer Aufsicht zu unterstellen, soweit nicht durch bundesrechtliche Vorschriften bereits eine Aufsicht gewährleistet ist (Art. 387 ZGB). Im Kanton Schaffhausen ist hierfür das kantonale Sozialamt zuständig (Art. 45 SHEG).
3. Verfahren vor der KESB
Das Verfahren vor der KESB richtet sich nach den Bestimmungen des ZGB und des Gesetzes über die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Art. 57e des Justizgesetzes).
Das Verfahren vor der KESB wird nach rechtshängig
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durch Eröffnung von Amtes wegen,
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mit Einreichung eines mündlichen oder schriftlichen Begehrens,
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durch Anrufung der Behörde in den vom ZGB bestimmten Fällen,
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mit Eingang einer Gefährdungsmeldung.
Die KESB eröffnet ein Verfahren von Amtes wegen durch Mitteilung an die betroffene Person oder andere nach aussen wahrnehmbare Vorkehrungen im Hinblick auf die Anordnung von Massnahmen des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts.
Die KESB klärt die tatsächlichen Verhältnisse selbst ab. Sie kann mit der Durchführung der Abklärungen ein Mitglied oder eine geeignete Person oder Stelle beauftragen (Art. 446 Abs. 2 ZGB i.V.m. Art. 49 EGZGB). So kann die KESB z.B. die zuständige Jugendhilfestelle beauftragen, die familiären Verhältnisse und andere Fragen abzuklären, die im Bereich des Kindesschutzes, der Kinderzuteilung und der Adoption von Bedeutung sind.).
Die KESB holt von der Wohnsitzgemeinde einen Bericht zu den über die betroffene Person vorhandenen Informationen ein, die für das hängige Verfahren wesentlich sind.
Den Entscheid stellt die KESB den am Verfahren beteiligten Personen mit schriftlicher Begründung zu. Sie kann auf eine schriftliche Begründung verzichten, wenn den Begehren der am Verfahren beteiligten Personen vollständig entsprochen wird. Eine schriftliche Begründung ist aber nachzuliefern, wenn eine Partei dies innert zehn Tagen seit der Eröffnung des Entscheides verlangt. Wird keine Begründung verlangt, so gilt dies als Verzicht auf die Anfechtung des Entscheides mit Berufung oder Beschwerde (Art. 239 Abs. 2 ZPO). Die Rechtsmittelfrist beginnt mit der Zustellung des schriftlich begründeten Entscheids (Art. 321 Abs. 1 ZPO).
4. Rechtsmittel gegen Entscheide der KESB
4.1. Grundsatz
Entscheide der KESB können mit Beschwerde an das Obergericht angefochten werden (Art. 46 Abs. 2 EGZGB). Für Beschwerden gegen Entscheide der KESB richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach Art. 442 ZGB.
4.2. Beschwerdelegitimation
Nach Art. 450 Abs. 2 ZGB sind zur Beschwerdeerhebung befugt
1. die am Verfahren beteiligten Personen,
2. die der betroffenen Person nahestehenden Personen,
3. Personen, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids haben.
Die Sozialbehörde ist an den rechtskräftigen Entscheid der KESB, mit welchem eine Massnahme des Kindes- oder Erwachsenenschutzes getroffen wurde, gebunden (Art. 450 ZGB gilt gestützt auf Art. 314 Abs. 1 ZGB auch für Anordnungen der KESB im Bereich des Kindesschutzes). Nach Art. 450 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB sind zwar auch Personen, die nicht am Verfahren beteiligt waren, aber ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides haben, befugt, gegen einen Entscheid der KESB Beschwerde zu erheben. In seinem Entscheid 5A_979/2013 vom 28. März 2014 hat das Bundesgericht aber entschieden, dass ein rein finanzielles Interesse eines allenfalls kostenpflichtigen Gemeinwesens kein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 450 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB darstellt. Eine Gemeinde kann also nicht mit der Begründung, die angeordnete Massnahme verursache zu hohe Kosten, eine Beschwerde erheben.
Rechtsprechung
Urteile des Bundesgerichts:
5A_979/2013 vom 28. März 2014: Die Beschwerdelegitimation nach Art. 450 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB setzt ein rechtlich geschütztes Interesse eines Dritten voraus, das durch das Kindes- bzw. Erwachsenenschutzrecht geschützt werden soll. Das fragliche Interesse muss ein eigenes Interesse der Drittperson sein und die Geltendmachung dieses eigenen (wirtschaftlichen oder ideellen) rechtlich geschützten Interesses ist nur zulässig, wenn es mit der fraglichen Massnahme direkt zusammenhängt bzw. mit der Massnahme geschützt werden soll und deshalb von der KESB hätte berücksichtigt werden müssen. Das Kindesschutzrecht verlangt von der Behörde nicht, bei der Anordnung eines Obhutsentzuges mit Fremdplatzierung nach Art. 301 Abs. 1 ZGB auch dem finanziellen Interesse des allenfalls kostenpflichtigen Gemeinwesens Rechnung zu tragen. Daraus folgt, dass dieses Interesse durch die erwähnte anwendbare zivilrechtliche Norm nicht im Sinne von Art. 450 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB rechtlich geschützt ist (E. 4).
Nach Art. 450 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB sind die der betroffenen Person nahestehenden Personen zur Beschwerde berechtigt. Nahestehende Personen sind solche, die den Betroffenen gut kennen und aufgrund ihrer Eigenschaften und ihrer Beziehungen zu ihm als geeignet erscheinen, seine Interessen wahrzunehmen, auch wenn die Beschwerdebefugnis der nahestehenden Person nicht notwendigerweise voraussetzt, dass sie tatsächlich Interessen des Betroffenen wahrnimmt. Eine Rechtsbeziehung ist für das Näheverhältnis nicht erforderlich; entscheidend ist vielmehr die faktische Verbundenheit, wie sie z.B. bei Eltern, Kindern, anderen Verwandten, Freunden, Lebensgefährten, aber auch bei Beistandspersonen, Ärzten, Sozialarbeitern oder Geistlichen gegeben sein kann. Da die beschwerdeführende Gemeinde nicht geltend macht, sie selbst bzw. eine natürliche Person, die als Organ oder auf andere Weise in ihren Diensten steht, das betroffene Kind besonders gut zu kennen und ihm im geschilderten Sinne nahezustehen, und solches auch nicht ersichtlich ist, kann eine Beschwerdebefugnis auch nicht auf Art. 450 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB begründet werden (E. 5).
Zur Beschwerde berechtigt sind nach Art. 450 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB schliesslich die am Verfahren beteiligten Personen. Allein der Umstand, dass eine Person im erstinstanzlichen Verfahren zur Stellungnahme eingeladen oder dass ihr der Entscheid eröffnet wurde, verschafft ihr aber nicht ohne Weiteres auch die Befugnis zur Beschwerde gegen den Entscheid der KESB. Denn nahestehende Personen oder Dritte, auch wenn sie sich am Verfahren beteiligt haben, sind nur im Rahmen ihrer nach Art. 450 Abs. 2 Ziff. 2 oder 3 ZGB bestehenden Legitimation zur Beschwerde zuzulassen. Kann eine Person wie im vorliegenden Fall eine Gemeinde als öffentlich-rechtliche Körperschaft nicht unmittelbar von der angeordneten Massnahme betroffen sein und weder als nahestehende Person (E. 5) noch als Drittperson (E. 4) gelten, so muss ihr der Zugang zur Beschwerde gegen den Entscheider KESB versperrt bleiben (E. 6).
5C_2/2012 vom 17. Dezember 2012 und 5C_1/2013 vom 18. Januar 2013: Der Bundesgesetzgeber verlangt von den Kantonen nicht, dass sie ein Gericht im formellen Sinn als Beschwerdeinstanz gegenüber Entscheiden der KESB einsetzen (E.3.5). Der Bezirksrat als Beschwerdeinstanz gegenüber Entscheiden der KESB (§ 63 Abs. 1 EG KESR) erfüllt insgesamt die Anforderung an ein Gericht gemäss Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E.4.5).
Praxishilfen
Weitergehende Informationen zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht und zur Behördenorganisation:
Amt für Justiz und Gemeinden des Kantons Schaffhausen
Konferenz der Kantone für Kindes und Erwachsenenschutz (KOKES)