6.3.03. Formen der wirtschaftlichen Hilfe

Rechtsgrundlagen

§ 11 SHEV

SKOS-Richtlinien, Kapitel C.7

Erläuterungen

1.   Grundsätzliches

11 SHEV besagt, dass die wirtschaftliche Hilfe in Geld ausgerichtet wird (Abs. 1). Rechtfertigen es die Umstände, kann sie auch auf andere Weise erbracht werden. Bietet eine zu unterstützende Person keine Gewähr für die zweckentsprechende Verwendung von Geld, sind die Zahlungen direkt an Dritte zu Leisten oder Gutscheine oder Naturalien abzugeben (§ 11 Abs. 2 SHEV).

2.   Überweisung, Check und Bargeldauszahlung

2.1.   Überweisung

Da die Sozialhilfe die betroffene Person in keiner Art und Weise in ihrer Rechts- und Handlungsfähigkeit einschränkt, wird im Normalfall die wirtschaftliche Hilfe auf ihr Konto überwiesen. Es wird den Betroffenen dadurch eine selbständige und eigenverantwortliche Gestaltung ihrer Lebensführung zugestanden und der Zielsetzung der Förderung der Selbsthilfe Rechnung getragen. Die Überweisung der wirtschaftlichen Hilfe auf das Bank- oder Postkonto der betroffenen Person erfolgt nicht nur aus verfahrensökonomischen Überlegungen und aus Gründen der Diskretion, sondern auch deshalb, weil Häufigkeit und Art der mit der wirtschaftlichen Hilfe verbundenen Beratung oder Betreuung nicht vom Auszahlungsmodus abhängig sind. Somit ist es normalerweise nicht erforderlich, dass der Unterstützungsbetrag bei der zuständigen Sozialbehörde oder einer anderen Gemeindestelle abgeholt wird.

Für Personen, bei denen die Gefahr der Zweckentfremdung nicht besteht, soll die bargeldlose Überweisung Standard sein.

Vgl. auch SKOS-Richtlinien, Kapitel C.7 Abs. 1

2.2.   Bargeldauszahlung oder Check

Eine Bargeldauszahlung oder eine Ausrichtung der wirtschaftlichen Hilfe per Check kann sich dann als notwendig erweisen, wenn die betroffene Person über kein Bank- oder Postkonto verfügt. In solchen Fällen ist es in der Regel sinnvoll, die betroffene Person aufzufordern, ein Konto zu eröffnen. Dies ist auch im Hinblick auf eine mögliche berufliche Integration anzustreben. Weiter kann es im Rahmen einer engen Begleitung und insbesondere, wenn eine missbräuchliche Verwendung der Mittel wahrscheinlich ist, angezeigt sein, ratenweise Barauszahlungen (z.B. wöchentlich) zu tätigen.

3.   Abgabe von Gutscheinen, Naturalien und Direktzahlung an Dritte

3.1.   Grundsätze

Nach § 11 Abs. 1 SHEV wird die materielle Hilfe nur in der Regel in Geld ausgerichtet und kann daher auch auf andere erbracht werden, sofern es die Umstände des Einzelfalls rechtfertigen. Darunter fallen beispielsweise direkte Zahlungen an Dritte, wenn konkrete Anzeichen dafür bestehen, dass die Hilfe suchende Person keine Gewähr für die zweckentsprechende Verwendung der Sozialhilfeleistungen bietet.

3.2.   Gutscheine

Besondere Umstände, die eine Abgabe von Gutscheinen erlauben, liegen in der Regel nur bei einmaligen Leistungen vor. Häufigste Beispiele sind

  • Mahlzeitengutscheine

  • Gutscheine für die Übernachtung in einer Notschlafstelle

Einkaufsgutscheine (z.B. Migros, Coop, Volg) als kurzfristige Hilfeleistung im Rahmen der Notfallhilfe (vgl. Kapitel 5.3.02) oder am Anfang der Abklärungsphase, um einer akuten Notlage zu begegnen.

 

3.3.   Sachleistungen

Die Abgabe von Sachleistungen wie Kleider, Möbel oder Lebensmittel ist im Rahmen der wirtschaftlichen Hilfe bedeutungslos geworden. Neben der Tatsache, dass die Abgabe von Sachleistungen anstelle von Geldzahlungen sehr rasch diskriminierend wirken kann und mit dem Grundsatz der Dispositionsfreiheit der Betroffenen in Widerspruch steht, rechtfertigt sich eine solche auch aus ökonomischer Sicht kaum, müssten hierfür doch Infrastrukturen wie Lagerräume unterhalten und finanziert werden. Eine Bedeutung kommt der Abgabe von Sachleistungen lediglich noch in der Asylfürsorge und der Nothilfe zu (vgl. Empfehlungen der SODK zur Nothilfe für ausreisepflichtige Personen).

Vgl. auch SKOS-Richtlinien, Kapitel C.7 Abs. 3

3.4.   Direktüberweisung an Dritte (ohne Kostengutsprache)

Die direkte Überweisung der bei der Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe berücksichtigten Miete mit Nebenkosten an die Vermieterschaft ist davon abhängig, dass die Leistung nicht zweckentsprechend verwendet wird. Wird nur der angemessene Mietzins im Budget berücksichtigt, darf auch nur in dieser Höhe eine Mietzinsüberweisung an die Vermieterschaft erfolgen. Den nicht gedeckten Mietanteil muss die betroffene Person selber begleichen. Nicht zulässig wäre es, wenn die Sozialbehörde den ganzen Mietzins überweist und den nicht im Budget berücksichtigten Mietanteil mit dem Grundbedarf verrechnet.

Mit Bezug auf andere Leistungen setzt eine Direktüberweisung an Dritte ebenfalls voraus, dass die zweckentsprechende Verwendung der Mittel durch die betroffene Person nicht gewährleistet ist. Dies ist immer dann der Fall, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die betroffene Person Schwierigkeiten mit der Einteilung der Mittel hat oder nur beschränkt in der Lage ist, die notwendigen Anschaffung von den wünschenswerten zu unterscheiden. Ein konkreter Anhaltspunkt ist beispielsweise dann gegeben, wenn die betroffene Person selber darlegt, dass sie Schwierigkeiten dieser Art hat oder wenn sie schon einmal Mittel zweckentfremdet hat.

Direktzahlungen im Einverständnis der betroffenen Person kommen immer wieder vor. So werden zum Beispiel häufig Prämien für Zusatzversicherungen, welche nicht als situationsbedingte Leistungen bewilligt werden, durch die Sozialhilfeorgane direkt beglichen und vom Grundbedarf für den Lebensunterhalt in Abzug gebracht. Dieses Vorgehen ist insofern problematisch, als dadurch der Grundbedarf für den Lebensunterhalt ohne Rechtsgrundlage reduziert wird. Nur wenn die betroffene Person einverstanden ist und die Direktzahlung mit anschliessender Verrechnung mit dem Grundbedarf für den Lebensunterhalt im Sinne einer Dienstleistung zu ihren Gunsten erfolgt, wird ihre Dispositionsfreiheit über den Grundbedarf für den Lebensunterhalt gewahrt.

Vgl. dazu auch SKOS-Richtlinien, Kapitel C.7 Abs. 2, Erläuterungen a)

3.5.   Kostengutsprachen zur Sicherung Leistungen Dritter

Ebenfalls um eine Form der wirtschaftlichen Hilfe handelt es sich bei Kostengutsprachen im Sinne von § 34 SHEV (primäre oder direkte gemäss Abs. 1 wie sekundäre oder subsidiäre nach Abs. 2), welche die Sicherstellung von Leistungen Dritter bezwecken. Weitere Ausführungen hierzu finden sich in Kapitel 10.


Rechtsprechung

VB.2010.00429, E.3.3.: Aus prozessökonomischen Gründen sei angemerkt, dass die von der Beschwerdegegnerin vorgenommenen Verrechnungen bzw. die Direktauszahlungen des Mietzinses an den Vermieter selbst dann als unzulässig zu erachten gewesen wären, wenn sich die Reduktion der Wohnkosten als rechtmässig erwiesen hätte. Der Vollzug einer Wohnkostenkürzung hat nämlich bei den Wohnkosten zu erfolgen und darf nicht – oder jedenfalls nicht im vorliegenden Umfang – über eine Verrechnung der Wohnkosten mit dem Grundbedarf realisiert werden. Es geht in einem solchen Fall nicht an, den Grundbedarf zu kürzen und die effektiven Wohnkosten – den Mietzins – weiterhin vollumfänglich direkt an den Vermieter zu überweisen. Eine solche Grundbedarfskürzung sieht auch das Sozialhilfe-Behördenhandbuch nicht vor, auf dessen Kap. 2.1.3 Ziff. 24.3 sich die Beschwerdegegnerin beruft. Die von der Beschwerdegegnerin vorgenommene Kürzung des Grundbedarfs der Beschwerdeführerin um 39 Prozent verstösst gemäss Kapitel A.8–3 der SKOS-Richtlinien gegen Art. 12 BV. Eine grundrechtskonforme Umsetzung der Kostenreduktion hätte in der vorliegenden Konstellation beispielsweise dadurch erfolgen können, dass sowohl der ungekürzte Grundbedarf (Fr. 960.--) als auch der reduzierte Mietkostenbetrag (Fr. 1'000.--) direkt an die Beschwerdeführerin ausbezahlt worden wären.

VB.2003.00048, E.5.b: Bezirksrat und Beschwerdegegnerin befürchten wegen ihrer Drogensucht die Zweckentfremdung wirtschaftlicher Hilfe durch die Beschwerdeführerin. Diese Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen; ihr kann dadurch begegnet werden, dass Leistungen auf andere Weise als durch Bargeldzahlungen an die Unterstützte erbracht werden (§ 18 SHV). Dies ist auch mit Bezug auf nachträgliche Leistungen zulässig. Der Bezirksrat bringt in seiner Vernehmlassung zu Recht vor, dass diese an die Mutter der Beschwerdeführerin auszurichten sind, da diese in der Zwischenzeit im Wesentlichen für deren Unterhalt aufgekommen ist.

VB.2002.00070 (nicht publiziert): Besteht Anlass zur Vermutung, dass Hilfesuchende den ihnen für die Wohnkosten ausgerichteten Betrag zweckentfremden könnten, so liegen darin ohne Weiteres Umstände im Sinne von § 16 Abs. 2 SHG, welche die Erbringung der wirtschaftlichen Hilfe auf andere Weise als durch Barzahlung und damit die direkte Überweisung der Mietkosten an die Vermieterschaft erlauben.

Praxishilfen

01.03.2021