3.3.01. Innerkantonal - Verfahren zur Festlegung der Zuständigkeit Rechtsgrundlagen

 

Rechtsgrundlagen

Verordnung über die öffentliche Sozialhilfe und soziale Einrichtungen (SHEV) vom 18. Februar 2014, SHR 850.111

Erläuterungen

1.    Grundsätzliches

1.1.    Zuständigkeitsprüfung von Amtes wegen

Gemäss § 19 Abs. 1 SHEV prüft die Sozialbehörde ihre Zuständigkeit von Amtes wegen bei Gesuchstellung. Ist sie nicht zuständig, weist sie die hilfesuchende Person an die Sozialhilfebehörde der nach dem Gesetz unterstützungspflichtigen Gemeinde und macht dieser gleichzeitig Mitteilung. Die Zuständigkeit der Sozialhilfebehörde, bei welcher das Gesuch eingereicht wurde, bleibt bis zur Anerkennung der Zuständigkeit der anderen Sozialhilfebehörde bestehen (§ 19 Abs. 2 SHEV). Die Entscheidung von solchen Streitigkeiten obliegt gemäss § 5 Abs. 2 SHEV dem Departement des Innern.

 

2.    Vorgehensweise und Verfahren

2.1.    Begehren um Festlegung der Zuständigkeit nach § 5 Abs. 2 SHEV

Das Begehren muss einen Antrag, die Schilderung des Sachverhaltes und eine rechtliche Beurteilung enthalten. Es ist im Doppel einzureichen. Wird geltend gemacht, die sozialhilferechtliche Zuständigkeit liege neu bei einer anderen Gemeinde, ist im Antrag anzugeben, ab welchem Zeitpunkt dies der Fall sein soll. Da es sich um ein verwaltungsinternes Verfahren handelt, werden an den Inhalt des Begehrens keine allzu strengen Anforderungen gestellt. Wichtig ist aber, dass sich die Gemeinden nicht auf Behauptungen beschränken, dies jedenfalls dort, wo sie die Beweislast trifft (vgl. diesbezüglich die allgemeine Beweisregel von Art. 8 ZGB, welche auch im öffentlichen Recht gilt). Grundsätzlich sind daher Behauptungen soweit als möglich durch geeignete Unterlagen zu belegen (z.B. Verträge, Auskünfte von Einwohnerkontrollen, schriftliche Bestätigungen der hilfesuchenden Person etc.). Allfällige Belege sind im Doppel und mit einem Aktenverzeichnis versehen einzureichen.

2.2.    Zustellung der Unterlagen zur Stellungnahme an die Gegenpartei

Das Begehren wird der Gegenseite samt Beilagen zur Stellungnahme zugestellt. Enthält die Stellungnahme neue Informationen (so genannte Noven), die für den Entscheid von Bedeutung sein können, oder werden neue Unterlagen eingereicht, erhält die Gesuch stellende Gemeinde Gelegenheit, sich dazu zu äussern. Auch hier müssen die Eingabe im Doppel und die Beilagen mit einem Aktenverzeichnis versehen eingereicht werden. Die Einholung von Stellungnahmen bezeichnet man als Schriftenwechsel.

In Ausnahmefällen kann auf die Einholung einer Stellungnahme verzichtet werden, nämlich dann, wenn sich die örtliche Zuständigkeit zur Hilfeleistung und Kostentragung bereits aufgrund des Begehrens und der damit eingereichten Akten ohne Weiteres festlegen lässt und keine anderen Gemeinden vom Entscheid betroffen sind. In diesen Fällen kann im Rahmen einer so genannten Direkterledigung die Zuständigkeitsverfügung ohne Schriftenwechsel erlassen werden.

2.3.    Entscheidung

Sobald der Sachverhalt hinreichend erstellt ist und keine weiteren Noven vorgebracht werden, ist das Verfahren spruchreif, d.h. das Departement des Innern kann die Zuständigkeitsverfügung erlassen. In der Verfügung wird festgestellt, welche Gemeinde für die Unterstützung der bedürftigen Person zuständig ist und gegebenenfalls ab welchem Zeitpunkt dies der Fall ist. Ein allfälliger Kostenersatz (insbesondere die Rückerstattung der Kosten für die vorläufige Unterstützung) zwischen den betroffenen Gemeinden wird direkt, d.h. ohne Beteiligung oder Mitwirkung durch das Departement des Innern, abgewickelt.

2.4.   Zuständigkeitsverfügung ohne Begehren

Schliesslich kann es auch vorkommen, dass das Kantonale Sozialamt eine Zuständigkeitsverfügung erlässt, ohne dass vorgängig ein entsprechendes Begehren seitens einer Gemeinde gestellt wurde. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine hilfebedürftige Person über keinen Unterstützungswohnsitz verfügt und sich keine Gemeinde für die Fallführung und die Gesuchseinreichung als zuständig erachtet. Anderenfalls hätte die hilfebedürftige Person keine Möglichkeit, die ihr zustehende Unterstützung zu bekommen.

2.6.    Rechtsmittel

Gegen die vom Departement des Innern erlassene Zuständigkeitsverfügung kann beim Regierungsrat des Kantons Schaffhausen Rekurs erhoben werden. Der Entscheid des Regierungsrats kann mit Beschwerde beim Obergericht des Kantons Schaffhausen angefochten werden.

Rechtsprechung

 

Praxishilfen

Muster für ein Begehren um Festlegung der Zuständigkeit nach § 5 Abs. 2 SHEV:

Die Gemeinden A und B können sich trotz mehrmaligen Austausches nicht über die Zuständigkeit für die Unterstützung von Paul Kübler, der den Sozialdienst der Gemeinde A um wirtschaftliche Hilfe ersucht hat, einigen. Die Gemeinde A reicht daher dem Kantonalen Sozialamt folgendes Begehren ein:

1. Antrag:

Es sei festzustellen, dass die Gemeinde B weiterhin für die Unterstützung von Paul Kübler, geb. 03.03.1963, von X, zuständig ist.

2. Sachverhalt:

Peter Kübler ist am 1. April 2011 von der Gemeinde B kommend in die therapeutische Wohngemeinschaft Morgenrot an der Hofstrasse 17 in A eingetreten (Unterlagen zum Konzept der therapeutischen Wohngemeinschaft, Beilage 1). Gemäss Auskunft der Einwohnerkontrolle B ist Peter Kübler seit dem 1. Januar 2005 in B polizeilich angemeldet (Auskunft der Einwohnerkontrolle B vom 2. Mai 2011, Beilage 2). Er verfügte dort über eine 2-Zimmer­wohnung, die er per 31. März 2011 gekündigt hat (Mietvertrag über die 2-Zimmerwohnung, Beilage 3, Kündigung der Wohnung, Beilage 4). Dass er mit dem Zuzug am 1. Januar 2005 einen Unterstützungswohnsitz in B begründet hat, wird seitens der Gemeinde B nicht bestritten (Schreiben der Gemeinde B an die Gemeinde A vom 25. April 2011, Beilage 5). Sie stellt sich aber auf den Standpunkt, er habe den Unterstützungswohnsitz in B verloren, weil er aus der Gemeinde B weggezogen sei und freiwillig in die Therapeutische Wohngemeinschaft Morgenrot in A eingetreten sei. Er habe die Absicht, sich dauernd in A aufzuhalten. Seit dem 1. April 2011 befinde sich sein Unterstützungswohnsitz daher in A (Schreiben der Gemeinde B an die Gemeinde A vom 31. Mai 2011, Beilage 6).

3. Rechtliche Beurteilung:

Peter Kübler hat mit dem Zuzug nach B am 1. Januar 2005 einen Unterstützungswohnsitz in B begründet. Dies wird seitens der Gemeinde B nicht bestritten. Gemäss Art. 9 Abs. 3 ZUG i.V.m. Art. 8 Abs. 3 SHEG wird ein bestehender Unterstützungswohnsitz durch den Eintritt in ein Heim nicht beendet. Ebenso begründet der Aufenthalt in einem Heim keinen Wohnsitz Art. 5 ZUG i.V.m. Art. 8 Abs. 3 SHEG. Die therapeutische Wohngemeinschaft Morgenrot richtet sich an Personen mit psychischen Beeinträchtigungen oder speziellen Lebensproblemen, die keine stationäre Behandlung (mehr) nötig haben und noch nicht selbständig wohnen können oder wollen. Ziel ist es, die Bewohner auf ein selbständiges Wohnen vorzubereiten. Wöchentlich findet ein gemeinsamer WG-Abend statt, wobei die Bewohner abwechslungsweise das Kochen für die Wohngruppe an diesen Abenden übernehmen. Die Einzelbetreuung findet zweimal wöchentlich statt. Bei der Therapeutischen Wohngemeinschaft handelt es sich damit um ein Heim im Sinne von Art. 5 und Art. 9 Abs. 3 ZUG i.V.m. Art. 8 Abs. 3 SHEG. Dass der Eintritt von Peter Kübler freiwillig erfolgte, ist nicht massgebend. Irrelevant ist auch, ob Peter Kübler beabsichtigt, dauernd in A zu verweilen. Solange er sich in der therapeutischen Wohngemeinschaft aufhält, ist die Begründung eines Unterstützungswohnsitzes in A gemäss Art. 5 ZUG i.V.m. Art. 8 Abs. 3 SHEG ausgeschlossen. Peter Kübler hat daher gestützt auf 9 Abs. 3 ZUG i.V.m. Art. 8 Abs. 3 SHEG seinen Unterstützungswohnsitz in B nicht verloren. Demzufolge liegt die Zuständigkeit für die Unterstützung von Peter Kübler nach wie vor bei der Gemeinde B.

Im Doppel

Beilagen gemäss separatem Verzeichnis

Anlagen