9.2.01. Anrechnung von Vermögen und Freibeträge

In Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip ist die Verwertung von Bank- und Postcheckgutha-ben, Aktien, Obligationen, Forderungen, Wertgegenständen, Liegenschaften und anderen Vermö-genswerten Voraussetzung für die Gewährung von materieller Hilfe.

Sozialhilferechtlich zählen alle Geldmittel, Guthaben, Wertpapiere, Privatfahrzeuge und Güter, auf die eine hilfesuchende Person einen Eigentumsanspruch hat, zum Vermögen. Für die Beurteilung der Bedürftigkeit sind die tatsächlich verfügbaren oder kurzfristig realisierbaren Mittel massgebend.

Die Freibeträge bei liquidem Vermögen betragen für Einzelpersonen Fr. 2’000.–, für Ehepaare oder eingetragene Paare Fr. 4’000.–.

In Ausnahmefällen kann von einer Verwertung des Vermögens abgesehen werden, wenn

- dadurch für den Hilfeempfänger oder seine Angehörigen eine ungebührliche Härte entstünde,

- die Verwertung unwirtschaftlich wäre,

- die Veräusserung von Wertgegenständen aus anderen Gründen unzumutbar ist.

 

D.6.2. Grundeigentum

Es besteht grundsätzlich kein Anspruch darauf, Grundeigentum zu erhalten.

Wenn aber eine Liegenschaft von der unterstützten Person selbst bewohnt wird, ist auf die Verwertung zu verzichten, falls die unterstützte Person zu marktüblichen oder sogar günstigeren Bedingungen darin wohnen kann.

Auf die Verwertung ist ebenfalls zu verzichten

- wenn jemand voraussichtlich nur kurz- oder mittelfristig unterstützt wird

- wenn er in relativ geringem Umfang unterstützt wird

- wenn wegen ungenügender Nachfrage nur ein zu tiefer Erlös erzielt werden könnte

 

In Falle, dass auf die Veräusserung von Grundeigentum verzichtet wird, ist eine Rückerstattungsver-pflichtung mit Grundpfandsicherung zu vereinbaren. Diese Rückerstattungsverpflichtung soll fällig wer-den, wenn die Liegenschaft veräussert wird oder wenn die unterstützte Person stirbt.

D.6.3. Lebensversicherungen der freien Vorsorge (Säule 3b)

Eine Lebensversicherung zählt mit ihrem Rückkaufswert grundsätzlich zu den liquiden Eigenmitteln.

Vom Rückkauf der Versicherung können Sozialhilfe-organe absehen, wenn der Ablauf der Versicherung oder Zahlungen wegen Invalidität unmittelbar bevorstehen oder aufgrund der Ergebnisse aus der IV-Frühintervention Zahlungen der freien Vorsorge zu erwarten sind. In diesen Fällen ist es sinnvoll, die Prämie weiter zu zahlen und die Leistungen abtreten zu lassen.

Wichtig: Die unterstützungsleistende Gemeinde muss sich vor der Ausrichtung von Leistungen für die Zahlung von Prämien die Ansprüche aus der betreffenden Versicherung im Umfang der von ihr geleisteten Zahlungen vom unterstützten Versicherungsnehmer abtreten lassen.

D.6.4. AHV-Vorbezug

Leistungen der AHV gehen grundsätzlich der Sozialhilfe vor und sind im Budget der unterstützten Person vollumfänglich anzurechnen.

Die Altersrente kann bereits höchstens 2 Jahre vor der Erreichung des ordentlichen Rentenalters bezo-gen werden.

Der AHV-Vorbezug führt zur Rentenkürzung, welche aber bei langfristig unterstützten Personen mit Er-gänzungsleistungen kompensiert werden kann und deshalb entstehen der unterstützten Person durch den Vorbezug keine wirtschaftlichen Nachteile.

Der Anspruch auf Rentenvorbezug kann spätestens bis zum Geburtsmonat und niemals rückwirkend geltend gemacht werden. Die Anmeldung zum Vorbezug muss vom oder von der Versicher-en persönlich erfolgen.

D.6.5. Freizügigkeitsguthaben (2. Säule) und Guthaben der privaten gebundenen Vorsorge (Säule 3a)

Leistungen der 2. Säule und der Säule 3a gehen grundsätzlich der Sozialhilfe vor und sind im Budget der unterstützten Person vollumfänglich anzurechnen.

Grundsätzlich sind Freizügigkeitsguthaben der 2. Säule und der Säule 3a zusammen mit dem AHV-Vorbezug oder dem Bezug einer ganzen IV-Rente herauszulösen. Der Lebensunterhalt ist ergänzend zur AHV- bzw. IV-Rente mit dem ausgelösten Guthaben zu bestreiten. Um der Zielsetzung der 2. Säule (Sicherung der gewohnten Lebenshaltung zu den Leistungen der AHV / IV) Rechnung zu tragen, soll die Anzehrung auslösbarer Freizügigkeitsguthaben nicht früher erfolgen. Decken AHV- bzw. IV-Rente und der anrechenbare Vermögensverzehr aus dem Freizügigkeitsguthaben den Lebensunterhalt nicht, können Ergänzungsleistungen beantragt werden.

Ausgelöste Guthaben der 2. Säule und der Säule 3a sind liquides Vermögen und für den zukünftigen Le-bensunterhalt zu verwenden.

D.6.6. Leistungen aus Genugtuung und Integritätsentschädigung

Leistungen aus Genugtuung und Integritätsentschädigung sind nur soweit anzurechnen, als die jeweili-gen Vermögensfreigrenzen für das Ergänzungsleistungsrecht überschritten werden. Massgeblich für die anteilige Berechnung der Freigrenzen ist die Grösse der Unterstützungseinheit. Dabei wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die betreffenden Personen einen immateriellen Schaden erlitten haben und ihnen ein gewisser Ausgleich zugestanden werden muss.

D.6.7. Kindesvermögen

Vermögen von minderjährigen Kindern darf nur im Rahmen des Kindesrechts angerechnet werden.

Die Berücksichtigung von Erträgen des Kindesvermögens ist zulässig, soweit es sich nicht um freies Kindesvermögen im Sinne der Art. 321 und Art. 322 ZGB handelt. Für den Arbeitserwerb gilt Art. 323 ZGB (vgl. auch D.2.). Während Abfindungen, Schadenersatz und ähnliche, für den Unterhalt des Kin-des bestimmte Vermögensteile ohne weiteres für den Kindesunterhalt verwendet und deshalb auch angerechnet werden dürfen, muss für den Einbezug des übrigen Kindesvermögens eine Einwilligung der Kindesschutzbehörde vorhanden sein (Art. 320 ZGB). Bei einer Sozialhilfe beziehenden Familie wird von den Eltern erwartet, dass sie um eine solche Bewilligung ersuchen. Anderenfalls kann auch das Sozialhilfeorgan an die Kindesschutzbehörde gelangen.

E. Bevorschusste Leistungen Dritter

Die Sozialhilfeorgane leisten Unterstützung auch wenn anderweitige Hilfe zwar im Prinzip beanspruchbar wäre, aber nicht rechtzeitig verfügbar ist. Dies ist häufig bei Ansprüchen gegenüber Sozialversicherungen (Invalidenversicherung / Un-fallversicherung) der Fall. Werden solche Leistungen im Laufe der Unterstützung gewährt, so sind die Sozialhilfeleistungen zurückzufordern.

Die Auszahlung von Versicherungsleistungen an Dritte (Drittzahlung) - z.B. IV-Rentenleistungen - bedarf eines Zahlungsauftrages des / der Berechtigten. Mit diesem Zahlungsauftrag wird die Sozialversicherung angewiesen, das Guthaben der entsprechenden Sozialhilfebehörde zu überweisen