18.2.06. Richtigstellungsbegehren

Rechtsgrundlagen

Art. 28 ZUG

Änderung des ZUG vom 14. Dezember 2012 (Abschaffung Kostenersatzpflicht des Heimatkantons), AS 2015 319 - 322

§ 35 SHV

Erläuterungen

1.   Richtigstellung im engeren Sinn (Art. 28 Abs. 1 ZUG)

1.1.   Allgemeines

Es kann vorkommen, dass ein Unterstützungsfall (ausdrücklich oder stillschweigend) unrich­tig beurteilt oder geregelt wurde. In diesen Fällen räumt das ZUG den Kantonen unter ge­wissen Voraussetzungen die Möglichkeit einer Richtigstellung ein. Es geht hier nicht um eine Änderung von Art oder Mass der Unterstützung. Berichtigt wird vielmehr der Sachverhalt, der für die Beurteilung der Unterstützungszuständigkeit oder der Kostenersatzpflicht eines Kantons massgebend ist.

Eine Richtigstellung nach Art. 28 Abs. 1 ZUG kann jeder Kanton verlangen, der daran ein Interesse hat. So z.B. der Heimatkanton, der feststellt, dass er zu lange oder zu Unrecht Kostenersatz geleistet hat oder der Wohnkanton, der feststellt, dass der Wohnsitz des Unterstützten nicht mehr besteht, nie bestanden hat oder noch nicht so lange wie angenommen besteht. Das Richtigstellungsbegehren wird an denjenigen Kanton gerichtet, der von der offensichtlich unrichtigen Regelung oder Beurteilung des Unterstützungsfalls profitiert hat.

Mit der Abschaffung der Kostenersatzpflicht des Heimatkantons per 8. April 2017 fällt dessen Recht, eine Richtigstellung nach Art. 28 Abs. 1 ZUG zu erheben dahin (vgl. Art. 28 Abs. 2 neu ZUG), denn nach diesem Zeitpunkt haben allenfalls unrichtig beurteilte oder geregelte Unterstützungsfälle auf den Heimkanton keine Auswirkungen mehr.

1.2.   Voraussetzungen

Die Richtigstellung nach Art. 28 Abs. 1 ZUG ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:

  1. Offensichtliche Unrichtigkeit: Ein Richtigstellungsbegehren setzt voraus, dass der Unterstützungsfall zwischen den beteiligten Kantonen schon bisher (ausdrücklich oder stillschweigend) geregelt oder zumindest bekannt gewesen ist. Dabei muss die bisherige Regelung oder Beurteilung des Unterstützungsfalls offensichtlich unrichtig gewesen sein. Es besteht kein vorbehaltloser Anspruch auf eine Änderung von sachlich nicht ganz befriedigenden Regelungen. Lässt sich die bisherige Unterstützungs- oder Kostenerstattungslösung ebenfalls mit sachlichen Gründen vertreten, kann keine Richtigstellung verlangt werden. Kein Richtigstellungsgrund ist insbesondere eine Änderung der Rechtsprechung.

  2. Neue erhebliche Tatsachen oder Beweismittel: Es müssen neue erhebliche Tatsachen oder Beweismittel geltend gemacht werden. Notwendig ist, dass die unrichtige Regelung oder Beurteilung des Unterstützungsfalls erfolgte, weil für den Entscheid wesentliche Tatsachen nicht bekannt waren oder unbewiesen geblieben sind.

  3. Irrtum: Die Richtigstellung ist grundsätzlich nur bei einem vormaligen unverschuldeten bzw. nicht auf Nachlässigkeit beruhenden Irrtum zulässig. Hat ein Kanton bzw. die zuständige Gemeinde die bisherige Regelung in Kenntnis um ihre Unrichtigkeit akzeptiert, kann keine (oder zumindest keine rückwirkende) Richtigstellung verlangt werden.

  4. Rechtzeitigkeit: Die Richtigstellung ist rechtzeitig anzumelden, jedenfalls aber innert 90 Tagen seit der Entdeckung des Umstandes, dass die bisherige Regelung oder Beurteilung des Unterstützungsfalls auf einem unrichtigen Sachverhalt beruhte. Anderenfalls könnte insbesondere eine rückwirkende Geltendmachung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen.

  5. Keine Umgehung gesetzlicher Verwirkungsfristen: Ein Richtigstellungsbegehren darf nicht dazu dienen, die gesetzlichen Verwirkungsfristen zur Erstellen von Unterstützungsanzeigen oder zur Erhebung von Einsprachen zu umgehen.

1.3.   Beweispflicht

Beweispflichtig für das Vorliegen der vorstehend in Ziff. 1.2 dargelegten Voraussetzungen ist der Kanton, der die Richtigstellung verlangt.

1.4.   Innerkantonales Vorgehen

Ist eine schaffhauser Gemeinde der Ansicht, dass ein Unterstützungsfall offensichtlich unrichtig geregelt ist und die Voraussetzungen für eine Richtigstellung gegeben sind, hat sie dies so bald als möglich dem Kantonalen Sozialamt unter Beilage von sachdienlichen Unterlagen mitzuteilen. Das Kantonale Sozialamt prüft den geltend gemachten Sachverhalt und die vorgelegten Unterlagen. Kommt es ebenfalls zum Schluss, dass die Voraussetzungen für eine Richtigstellung gegeben sein könnten, stellt es ein Richtigstellungsbegehren im Sinne von Art. 28 Abs. 1 ZUG.

Erhebt ein anderer Kanton ein Richtigstellungsbegehen, mit welchem eine Zürcher Gemeinde kostentragungs- oder unterstützungspflichtig würde, stellt das Kantonale Sozialamt das Begehren der betroffenen Schaffhauser Gemeinde zur Stellungnahme zu. Ist die Gemeinde der Ansicht, dass das Richtigstellungsbegehren zu Unrecht erhoben wurde, teilt sie dies innert 10 Tagen seit Erhalt dem Kantonalen Sozialamt unter Angabe der Gründe und unter Beilage sachdienlicher Unterlagen mit (§ 35 Abs. 1 SHV). Vgl. dazu Kapitel 18.2.06, Ziff. 1.3.b.

1.4.   Einsprache

Gegen das Richtigstellungsbegehren kann der betroffene Kanton innert 30 Tagen seit Erhalt Einsprache gemäss Art. 33 ZUG erheben (vgl. dazu Kapitel 18.2.06).

1.5.   Folgen einer Richtigstellung

Die (rechtskräftige) Richtigstellung bewirkt, dass der Unterstützungsfall zwischen den betroffenen Kantonen künftig so geregelt wird, wie es dem nachträglich festgestellten Sachverhalt entspricht. Zudem können Kostenersatzleistungen, die nach dem richtig gestellten Sachverhalt nicht geschuldet waren, zurückgefordert und Kostenerstattungen, die hätten bezahlt werden müssen, nachgefordert werden. Dies betrifft Unterstützungsleistungen, die in den letzten fünf Jahren vor dem Begehren ausgerichtet wurden (Art. 28 Abs. 3 ZUG).

2.   Die Richtigstellung nach Art. 28 Abs. 2 ZUG (Abschiebung)

Ein besonderer Richtigstellungsgrund stellt das Entdecken einer Abschiebung im Sinne von Art. 10 ZUG dar. Stellt ein Kanton (bzw. die zuständige Gemeinde) fest, dass eine hilfebedürftige Person von ihrem bisherigen Wohnkanton bzw. ihrer bisherigen Wohngemeinde in unzulässiger Weise zum Wegzug veranlasst wurde, kann er ein Richtigstellungsbegehren im Sinne von Art. 28 Abs. 2 ZUG stellen. Diese Richtigstellung ist nicht an die Voraussetzungen für eine Richtigstellung nach Art. 28 Abs. 1 ZUG gebunden. Vgl. zur Abschiebung Kapitel 3.3.02.

Rechtsprechung

Urteil des Bundesgerichts vom 10. Juli 2007, 2A.714/2006, E. 2.1 und 2.2): Die Richtigstellung wird sowohl in der bundesrätlichen Botschaft vom 17. November 1976 zum Zuständigkeitsgesetz (BBl 1976 III S. 1193 ff., S. 1214, Ziff. 254) als auch in der Literatur (Werner Thomet, Kommentar zum Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger, 2. Aufl. Zürich 1994, Rz. 272) sinngemäss als ein der Revision nachgebildetes Rechtsinstitut bezeichnet. Indes beschränkt sich die Richtigstellung nicht auf die klassischen Revisionsgründe, wie sie etwa in Art. 136 f. OG oder in Art. 66 VwVG enthalten sind. Vielmehr kann ein Kanton die Richtigstellung verlangen, sobald er entdeckt, dass die bisherige Regelung des Falls, auf die sich die Kantone ausdrücklich oder stillschweigend geeinigt hatten, auf einem Sachverhalt beruhte, den sie irrtümlich als richtig betrachteten. Die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Richtigstellung hebt die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts, insbesondere die sich aus der formellen Rechtskraft von Verfügungen ergebenden Folgen, jedoch nicht auf. Aus Art. 28 ZUG lässt sich daher nicht ein vorbehaltloser Anspruch auf Korrektur sachlich nicht voll befriedigender Unterhaltsregelungen ableiten, mit dem sich die Folgen einer versäumten Rechtsmittelfrist jederzeit rückgängig machen lassen. Vielmehr folgt aus dem in Art. 28 ZUG verwendeten Ausdruck "offensichtlich", dass qualifizierte Gründe für eine Richtigstellung sprechen müssen und es nicht ausreicht, wenn sich eine andere Lösung ebenfalls mit sachlichen Erwägungen vertreten lässt (Urteil des Bundesgerichts 2A.504/1999 vom 9. März 2000, E. 2). Die Beweislast für die Voraussetzungen der Richtigstellung trägt derjenige Kanton, der sie verlangt. Er hat auch die entsprechenden Nachweise zu erbringen (vgl. Thomet, a.a.O., Rz. 273). Da sich im Richtigstellungsverfahren zwei Kantone um die Übernahme der Unterstützungskosten streiten, kommt dem Untersuchungsgrundsatz nicht dieselbe Bedeutung zu wie in Verfahren, in denen sich eine Privatperson und die Verwaltung gegenüberstehen. Der beschwerdeführende Kanton kann sich auch nicht auf den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV berufen, ist er doch nicht Träger von Grundrechten. Die entsprechende Rüge in der Beschwerdeschrift ist daher unbehelflich. Immerhin besteht ein gesetzlicher Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 VwVG und auf Entscheidbegründung gemäss Art. 35 VwVG bzw. Art. 61 Abs. 2 VwVG, der grundsätzlich auch dem beschwerdeführenden Kanton Zürich zusteht. Dieser berief sich jedoch im vorinstanzlichen Verfahren hauptsächlich auf rechtliche Argumente und machte nur beiläufig geltend, A. habe im Kanton Zürich keinen Unterstützungswohnsitz begründen können, weil er dort nie eine Unterkunft gehabt habe. Beweise dafür wurden nicht vorgelegt. Unter diesen Umständen musste das Departement diesen Punkt entgegen der Ansicht des Kantons Zürich nicht näher abklären und sich dazu in der Entscheidbegründung nicht vertieft äussern.

Urteil des Bundesgerichts vom 9. März 2000, 2A.504/1999, E. 2.: Art. 28 ZUG gewährt dem betroffenen Kanton einen Anspruch auf Richtigstellung von offensichtlich unrichtig geregelten oder beurteilten Unterstützungsfällen. Die Richtigstellung wird sowohl in der bundesrätlichen Botschaft vom 17. November 1976 zum Zuständigkeitsgesetz (BBl 1976 lll S. 1193 ff., Ziff. 254) als auch in der Literatur (vgl. W. Thomet, Kommentar zum Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger, zweite aktualisierte Auflage, Zürich 1994, Rz. 272) sinngemäss als ein der Revision nachgebildetes Rechtsinstitut bezeichnet. Die Richtigstellung beschränkt sich indessen nicht auf die klassischen Revisionsgründe. Nach der zitierten Botschaft soll ein Kanton vielmehr die Richtigstellung verlangen können, wenn er entdeckt, dass die bisherige Regelung des Falles, auf die sich die Kantone ausdrücklich oder stillschweigend geeinigt hatten, auf einem Sachverhalt beruhte, den sie irrtümlich als richtig betrachteten. Als Auslegungshilfe dienen kann ferner ein Grundsatzpapier der Kommission ZUG/Rechtsfragen der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS), worin - gestützt auf die Botschaft zum ZUG sowie den Kommentar Thomet - verschiedene Voraussetzungen eines Richtigstellungsbegehrens formuliert werden (vgl. den entsprechenden Bericht vom September 1998, S. 4/5, auszugsweise publiziert in der Zeitschrift für Sozialhilfe, ZeSo, 12/1998, S. 193 - 195). Wie der Kanton St. Gallen zu Recht ausführt, hebt die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Richtigstellung die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts, insbesondere die sich aus der formellen Rechtskraft von Verfügungen ergebenden Folgen, nicht auf. Aus Art. 28 ZUG lässt sich mit anderen Worten kein vorbehaltloser Anspruch auf Korrektur sachlich nicht voll befriedigender Unterhaltsregelungen ableiten. Der in der vorgenannten Gesetzesbestimmung verwendete Ausdruck "offensichtlich" indiziert vielmehr, dass qualifizierte Gründe für eine Richtigstellung sprechen müssen und es nicht ausreicht, wenn sich eine andere Lösung ebenfalls mit sachlichen Erwägungen vertreten lässt.

Entscheide des ehemaligen Beschwerdedienstes des EJPD vgl. Anlage.

Praxishilfen

Zur Abschaffung der Kostenersatzpflicht des Heimatkantons vgl. Merkblatt der SKOS zur Abschaffung der Rückerstattungspflicht des Heimatkantons (Revision des Zuständigkeitsgesetzes) vom 10. April 2013

Anlagen