11.1.11. Überblick über die Pflegefinanzierung

Rechtsgrundlagen

Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 (KVG), SR 832.10

Verordnung über die Krankenversicherung vom 27. Juni 1995 (KVV), SR 832.102

Verordnung des EDI über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vom 29. September 1995 (Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV), SR 832.112.31

Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung vom 20. Dezember 1946 (AHVG), SR 831.10

Bundesgesetz über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen und Invalidenversicherung vom 6. Oktober 2006 (ELG), SR 831.30

Altersbetreuungs- und Pflegegesetz (AbPG) 10) vom 2. Juli 2007, SHR 813.500)

Verordnung zum Altersbetreuungs- und Pflegegesetz (AbPV) vom 10. Februar 2009 ,SHR 813.501)

Erläuterungen

1.   Allgemeines

Das Pflegegesetz bezweckt die Sicherstellung der Versorgung mit Pflegeleistungen sowie mit Leistungen der Akut- und Übergangspflege in Spitälern Pflegeheimen und durch Spitex-Institutionen. Zu beachten ist dabei, dass auf Einrichtungen im Sinne des Gesetzes über die Invalideneinrichtungen für erwachsene Personen die Vorschriften des SHEG und der IVSE Anwendung finden.

Die Gemeinden stellen gemäss Art. 3 Abs. 1 AbPG in gegenseitiger Absprache und Zusammenarbeit die Verfügbarkeit bedarfsgerechter Leistungsangebote in

folgenden Bereichen sicher:

a) Hilfe und Pflege zu Hause für Personen aller Altersgruppen, die

aus gesundheitlichen Gründen auf entsprechende Unterstützung angewiesen sind;

  1. Heimplätze für stationär pflegebedürftige Betagte, deren Betreuung nicht in die Zuständigkeit des Kantons bzw. der kantonalen Spitäler fällt;

c) teilstationäre und temporäre Heimpflege-Angebote für Betagte zur Entlastung pflegender Angehöriger.

Sie betreiben dazu eigene Heime und Organisationen der Hilfe

und Pflege zu Hause oder schliessen Leistungsverträge mit geeigneten

Partnern ab (Art. 3 Abs. 2 AbPG). Sie fördern die Bereitstellung bzw. Erhaltung von altersgerechten Wohnungen durch planerische und allfällige weitere Massnahmen (Art. 3 Abs. 3 AbPG). Sie sorgen für eine angemessene Beratung und Information der Betroffenen über die bestehenden Angebote (Art. 3 Abs. 4 AbPG).

 

Zu diesen Leistungen gehören auch Leistungen an Personen mit dementiellen Erkrankungen und die palliative Pflegeversorgung (§ 12 AbPV).

Verfügt die Gemeinde über kein entsprechendes Leistungsangebot, hat sie der pflegebedürftigen Person auf deren Verlangen innert angemessener Frist einen anderen Leistungserbringer zu vermitteln. Muss eine pflegebedürftige Person eine solche Ersatzleistung in Anspruch nehmen, hat die Gemeinde neben den ordentlichen Beiträgen für die vorstehend genannten Leistungen auch die Mehrkosten zu übernehmen (Art. 10e Abs. 1 AbPG).

Der Kanton betreibt seine Spitäler (Art. 2 Abs. 3 AbPG).

3.   Pflegeleistungen

3.1.   Definition

Pflegeleistungen sind Leistungen, die in der Regel längerfristig erbracht werden, ohne dass sie aber mit einer vorgängigen Spitalbehandlung zusammenhängen müssen. Sie werden in der KLV geregelt. Es geht hier um Untersuchungen, Behandlungen und Pflegemassnahmen, die aufgrund einer Bedarfsabklärung und auf ärztliche Anordnung hin oder im ärztlichen Auftrag erbracht werden (vgl. Art. 7 KLVArt. 8 KLV).

3.2.   Anspruchsberechtigung bei ambulanten Leistungen

Ambulante Leistungen können beanspruchen:

  1. körperlich oder psychisch kranke, behinderte, verunfallte, rekonvaleszente oder sterbende Personen jeden Alters,

  2. Frauen während der Schwangerschaft und nach der Geburt eines Kindes,

  3. Personen, die sich in einer vorübergehenden physischen oder psychischen Risikosituation befinden.

3.3.   Finanzierung

Krankenversicherer:

Die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) entrichtet einen Beitrag an die Pflegeleistungen. Diese Beiträge werden vom Bund differenziert nach dem Pflegebedarf für die ganze Schweiz einheitlich festgelegt (vgl. Art. 25a KVG).

  1. Ambulante Pflege

An die Kosten der einzelnen Leistungen übernimmt die OKP folgende Beiträge (Art. 7a Abs. 1 und 2 KLV):

    • für Massnahmen der Abklärung und Beratung Fr. 76.90 pro Stunde,

    • für Massnahmen der Untersuchung und der Behandlung Fr. 63.-- pro Stunde,

    • für Massnahmen der Grundpflege Fr. 52.60 pro Stunde.

  • Stationäre Pflege

Bei einem Aufenthalt in einem Pflegeheim wird der Beitrag an die Kosten nach dem zeitlichen Pflegebedarf abgestuft. Für Massnahmen der Abklärung und Beratung, der Untersuchung und Behandlung und der Grundpflege beläuft sich der Beitrag zwischen Fr. 9.60 (bei einem Pflegebedarf bis 20 Minuten) bis zu Fr. 115.20 (bei einem Pflegebedarf von mehr als 220 Minuten) pro Pflegetag (Art. 7a Abs. 3 KLV).

  1. Tages- und Nachtstrukturen

Für Massnahmen der Abklärung und Beratung, der Untersuchung und Behandlung und der Grundpflege übernimmt die OKP die gleichen Beiträge wie bei der stationären Pflege (Art. 7a Abs. 4 KLV).

Leistungsbezügerinnen und -bezüger:

Die nach Abzug der Beiträge der Krankenkasse verbleibenden Pflegekosten dürfen teilweise den Leistungsbezügerinnen und -bezügern in Rechnung gestellt werden, und zwar bis zu einem Betrag von maximal 20% des höchsten vom Bundesrat festgesetzten Pflegebeitrages, d.h. 20% von Fr. 76.90 pro Pflegetag bei der ambulanten und 20% von Fr. 115.20 pro Pflegetag bei der stationären Pflege (Art. 25a Abs. 5 KVG).

Im Kanton Schaffhausen wird die Kostenbeteiligung der Leistungsbezügerinnen und -bezügern in der AbV geregelt.

Gemeinden:

Die Restfinanzierung, d.h. die Übernahme der nach Abzug der Beiträge der Krankenversicherer und der Leistungsbezügerinnen und -bezüger verbleibenden Kosten, wird durch die Kantone geregelt (Art. 25a Abs. 5 KVG).

Im Kanton Zürich tragen der Kanton und die Gemeinde, in welcher die Leistungsbezügerin oder der Leistungsbezüger ihren bzw. seinen zivilrechtlichen Wohnsitz hat, die Restkosten (Art. 10 Abs. 1 AbPG). Im Falle von stationären Pflegeleistungen sind die Gemeindebeiträge dabei von der Gemeinde zu leisten, in der die pflegebedürftige Person vor dem Eintritt in das Pflegeheim ihren zivilrechtlichen Wohnsitz hatte. Der Aufenthalt in einem Pflegeheim begründet keine neue Zuständigkeit (Art. 10d Abs. 2 AbPG). Dies selbst wenn die betroffene Person ihren zivilrechtlichen Wohnsitz an den Standort des Pflegeheims verlegt hat.

Interkantonale Zuständigkeit:

Mit Inkraftsetzung von Art. 25a Abs. 5 KVG am 1. Januar 2019 wurde die interkantonale Zuständigkeit für die Restfinanzierung neu geregelt. Wenn eine Person aus einem anderen Kanton in ein Zürcher Pflegeheim zieht, bleibt der Herkunftskanton für die Pflegefinanzierung zuständig. Es wird dabei unterschieden, ob im Herkunftskanton ein so genannter Versorgungsnotstand besteht oder nicht. Ein Versorgungsnotstand liegt vor, wenn der betroffenen Person im Zeitpunkt des Heimeintritts kein Pflegeheimplatz in geografischer Nähe in ihrem Wohnkanton zur Verfügung gestellt werden kann. Ist dies der Fall, so übernimmt der bisherige Wohnkanton die Restfinanzierung auf unbeschränkte Dauer nach den Regeln des Standortkantons des Pflegeheims. Besteht kein Versorgungsnotstand übernimmt der bisherige Wohnkanton bzw. die dort zuständige Stelle die nach seinen Regeln bemessenen Restfinanzierung. Dasselbe gilt, wenn eine Person aus dem Kanton Zürich wegzieht und in ein ausserkantonales Pflegeheim eintritt (vgl. dazu auch Gesundheitsdirektion, Fragen zur Finanzierung von Pflegeheimleistungen).

4.   Akut- und Übergangspflege

4.1.   Definition

Die Leistungen der Akut- und Übergangspflege sind solche, welche sich im Anschluss an einen Spitalaufenthalt als notwendig erweisen und die im Spital ärztlich angeordnet werden. Sie sind auf 14 Tage befristet (Art. 25a Abs. 2 KVG). Auch Leistungen der Akut- und Übergangspflege können sowohl ambulant durch Spitex-Institutionen oder freiberuflich tätige Pflegefachpersonen als auch stationär durch Pflegeheime erbracht werden.

4.2.   Finanzierung

Leistungen der Akut- und Übergangspflege hängen immer mit einer vorhergehenden Spitalbehandlung zusammen. Sie werden deshalb nach den Regeln der Spitalfinanzierung vergütet. Zur Abgeltung der Leistungen der Akut- und Übergangspflege werden Pauschalen zwischen Leistungserbringern und Krankenversicherern vereinbart (Art. 25a Abs. 2 KVGArt. 46 KVG) oder, falls keine Einigung zustande kommt, von der Kantonsregierung gestützt auf Art. 47 KVG hoheitlich festgesetzt.

Die Pauschalen werden anteilsmässig vom Krankenversicherer und der öffentlichen Hand übernommen. Die öffentliche Hand hat mindestens 55% zu tragen, während die Versicherer die restlichen höchstens 45% zu finanzieren haben (Art. 25a KVG in Verbindung mit Art. 49a KVG).

Eine Beteiligung der Leistungsbezügerinnen und -bezüger an den Kosten der Leistungen der Akut- und Übergangspflege ist, abgesehen von Franchise und Selbstbehalt, nicht zulässig.

Umsetzung im Kanton Zürich:

Der von der öffentlichen Hand zu übernehmende Anteil ist jeweils für das Kalenderjahr

5.   Hotellerie und nichtpflegerische Leistungen

Neben den Kosten für die Pflegeleistungen und den Kosten für die Leistungen der Akut- und Übergangspflege können weitere Auslagen anfallen.

Es sind dies bei den Pflegeheimen

  • die Kosten für Unterkunft und Verpflegung (Hotellerie, vgl. nachfolgend Ziff. 5.1) und

  • die Kosten für Betreuungsleistungen (nichtpflegerische Heimleistungen, vgl. nachfolgend Ziff. 5.2),

und bei den ambulanten Leistungserbringern

  • die Kosten der ambulanten hauswirtschaftlichen und betreuerischen Spitex-Leistungen (nichtpflegerische Spitex-Leistungen, vgl. nachfolgend Ziff. 5.3), die auch von selbständig tätigen Pflegefachpersonen erbracht werden können.

Die Finanzierung dieser Leistungen wird nicht vom Bundesgesetzgeber geregelt. Die Kosten sind, soweit die Kantone und Gemeinden keine Beiträge leisten, von den pflegebedürftigen Personen selbst zu tragen.

6.   Flankierende Massnahmen

Wie vorstehend dargelegt werden die Leistungsbezügerinnen und -bezüger zur Tragung eines Beitrages an die Pflegekosten herangezogen und sie haben zumindest teilweise für nichtpflegerische Leistungen aufzukommen. Um diese finanzielle Belastung abzufedern, wurden einerseits im Bereich der Alters- und Hinterlassenenvorsorge, andererseits im Bereich der Ergänzungsleistungen flankierende Massnahmen ergriffen.

6.1.   AHV: Hilflosenentschädigung

Für Bezügerinnen und Bezüger von Altersrenten oder Ergänzungsleistungen mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz wurde eine Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit leichten Grades eingeführt (Art. 43bis AHVG). Der Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung bei leichter Hilfslosigkeit wird allerdings nur ausgerichtet, wenn die betreffende Person nicht in einem Heim lebt (Art. 43bis Abs. 1bis AHVG). Die Bemessung der Hilflosigkeit richtet sich dabei nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG, SR 831.20). Vgl. dazu auch Kapitel 11.1.02, Ziff. 3.5.

6.2.   Ergänzungsleistungen

Bei den Ergänzungsleistungen wurden im Zusammenhang mit der Pflegefinanzierung die Vermögensfreibeträge für den Anspruch auf Ergänzungsleistungen erhöht (Art. 11 ELG). Aktuell beträgt der Vermögensfreibetrag für Alleinstehende Fr. 37'500.-- und für Ehepaare Fr. 60'000.--. Weiter wurde der zusätzliche Freibetrag für Liegenschafteneigentümer von selbstbewohntem Wohneigentum auf Fr. 112'500.-- angehoben. Eine Sonderregelung gilt für diejenigen Ehepaare, bei denen der eine Partner im Heim, der andere jedoch in der eigenen Liegenschaft lebt. Hier wurde die Vermögensfreigrenze auf Fr. 300'000.-- erhöht.

Weiter haben die Kantone dafür zu sorgen, dass durch den Aufenthalt in einem anerkannten Pflegeheim in der Regel keine Sozialhilfeabhängigkeit begründet wird (Art. 10 Abs. 2 lit. a ELG). Diese bundesrechtliche Vorgabe wurde im Kanton Zürich mit einer Anpassung der Anspruchsberechtigung für Zuschüsse umgesetzt (§ 19a ZLG; vgl. dazu Kapitel 11.1.06, Ziff. 4).

Rechtsprechung