Rechtsgrundlagen
Erläuterungen
Laut Art. 20 Abs. 2 SHEG richtet sich die Hilfe nach den Besonderheiten und Bedürfnissen des Einzelfalls und den örtlichen Verhältnissen. Gleiches umschreiben die SKOS-Richtlinien in Kapitel A.3 Abs. 3 (vgl. auch SKOS-Richtlinien, Kapitel A.3, Erläuterungen b)).
Dieser Grundsatz ermöglicht ein optimales Eingehen auf den Einzelfall. Daraus ergibt sich einerseits ein Ermessen der Sozialhilfeorgane, anderseits aber auch das Erfordernis, die Verhältnisse der betroffenen Person genau abzuklären und zu überprüfen. Der Bedarf an Hilfe muss individuell ermittelt werden. Demnach ist im Einzelfall abzuklären, ob eine Notlage vorliegt und Hilfe erforderlich ist. Zudem besteht hinsichtlich des Umfangs der Hilfe die Möglichkeit eines Eingehens auf den Einzelfall, nämlich bei der persönlichen Hilfe sowie bei Unterstützungsleistungen, die das soziale Existenzminimum im Einzelfall übersteigen oder unterschreiten, nämlich im ersteren Fall bei situationsbedingten Leistungen (vgl. Art. 25 Abs. 1 SHEG)
Dieses Prinzip ist die Grundlage für die Vielseitigkeit, Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit der Sozialhilfe. Als einziges Sicherungssystem orientiert es sich vollumfänglich an den realen Gegebenheiten des Hilfesuchenden. Es gibt nicht wie bei andern bedarfsorientierten Leistungen Maximalgrenzen des anrechenbaren Bedarfs (wie z.B. bei Ergänzungsleistungen, vgl. dazu Kapitel 11.1.06).
Die Sozialhilfegesetzgebung spricht nicht von mangelnder Bedürfnisbefriedigung als Leistungsvoraussetzung, sondern von Bedürftigkeit. Der Zusammenhang zwischen Bedürfnissen und Bedürftigkeit der Betroffenen muss geklärt sein. Legitimierter Bedarf soll der Bedürftigkeit der betroffenen Personen entgegenwirken. Die Sozialhilfegesetzgebung meint damit nicht nur die Bedürftigkeit im Sinne von Mangel an Mitteln (Wohnung, Einkommen), sondern auch die Bedürftigkeit im Sinne von Mangel an Wissen und Können oder Mangel an Orientierung in der Gesellschaft.
Wenn die Sozialhilfe finanzielle Leistungen ausrichtet, ist die Bedürftigkeit nachgewiesen. Schwieriger ist der Nachweis der Bedürftigkeit für Menschen, die keine finanzielle Hilfe benötigen (zur persönlichen Hilfe vgl. Kapitel 4). Zudem gibt es auch Fälle, in denen erst Dritte feststellen, dass ein Mensch bedürftig ist (selbst- und fremdgefährdete Menschen z.B. suizidale Menschen, ältere, verwirrte Menschen). In diesen Fällen handelt es sich um subjektive Vorstellungen von Bedürftigkeit. In der Sozialhilfe ist es unerlässlich, dass Bedürftigkeit objektivierbar wird. Als Folge davon muss der Bedarf formuliert und von der zuständigen Behörde legitimiert werden.
Die aktuelle Hilfebedürftigkeit der betroffenen Person ist unabhängig von ihren Ursachen massgeblich. Im Rahmen dieses sogenannten Finalitätsprinzips ist es grundsätzlich nicht erheblich, auf welchen Lebensumständen die Notlage der betroffenen Person beruht oder ob sie sie selber verschuldet hat. Im Gegensatz zu (kausalen) Versicherungsleistungen werden also nicht nur bestimmte soziale Risiken abgedeckt und auch ein Verschulden fällt nicht ins Gewicht. Nur auf diese Art und Weise kann die Sozialhilfe ihre Funktion als letztes und lückenloses soziales Netz erfüllen (vgl. SKOS-Richtlinien, Kapitel A.3 Abs. 5 und Kapitel 5.1.11).
Rechtsprechung
Urteil des Bundesgerichts vom 17. April 2007 2A.771/2006, E.3: Für Familienangehörige, die im gleichen Haushalt leben, sieht Art. 19 ZUG eine Ausnahme von der individualisierten Berechnung der gewährten Unterstützung vor. Es ist in diesem Fall - vorbehältlich persönlicher Bedürfnisse eines bestimmten Familienmitglieds wie z.B. Ausbildungskosten von einer Unterstützungseinheit auszugehen und der geleistete Beitrag nach Köpfen auf die Familienangehörigen zu verteilen. Die nach dem Kopfteilungsprinzip bestimmte Unterstützung bildet die Grundlage für die Berechnung der Kostenersatzpflicht des Heimatkantons (vgl. Art. 19 Abs. 2 ZUG).
VB.2007.00379, E.2.1: Es ist nicht zulässig, einem mündigen Kind die Unterstützung unter Hinweis auf die Unterhaltspflicht der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Eltern ohne weitere Abklärungen zu verweigern. Es gilt die Frage der Festlegung des gemeinsamen Bedarfs einer solchen Unterstützungseinheit von der Frage des Bedarfsanteils einer einzelnen zu dieser Einheit gehörenden Person klar zu trennen. Dies ergibt sich auch aus dem Prinzip der Individualisierung, welches verlangt, dass Hilfeleistungen jedem einzelnen Fall angepasst sind und sowohl den Zielen der Sozialhilfe im Allgemeinen als auch den Bedürfnissen der betroffenen Person im Besonderen entsprechen (SKOS-Richtlinien, Ziff. A.4).
Praxishilfen