7.1.02. Grundbedarf in familienähnlichen Wohn- und Lebensgemeinschaften bzw. Zweck-Wohngemeinschaften

Rechtsgrundlagen

Lit. B.2.2. und B.2.3 der Richtlinien

SKOS-Richtlinien, Kapitel C.3.1

SKOS-Richtlinien, Kapitel C.3.2

Erläuterungen

Für die Festlegung der Unterstützung sowie allfällige gegenseitige Unterstützungspflichten von Personen in Lebensgemeinschaften und Konkubinaten siehe Kapitel 17.4.01 (Entschädigung für die Haushaltführung) sowie Kapitel 17.4.02 (Konkubinatsbeitrag).

 

1.   Grundbedarf in familienähnlichen Wohn- und Lebensgemeinschaften

Liegt eine familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaft vor (vgl. dazu Kapitel 6.2.03, Ziffer 2), hat dies insbesondere Auswirkungen auf die Aufwendungen für den Grundbedarf für den Lebensunterhalt (GBL). Durch das gemeinsame Führen des Haushalts entspricht der Bedarf der Wohn- und Lebensgemeinschaft jenem einer Unterstützungseinheit gleicher Grösse. Der für die betroffene Person anfallende GBL wird also errechnet, indem zunächst auf den Gesamtbetrag für den entsprechenden Haushalt abgestellt wird. Die Kosten werden innerhalb der Gemeinschaft grundsätzlich nach Pro-Kopf-Anteilen getragen. Den unterstützten Personen steht damit der entsprechende Anteil des Grundbedarfs für die Haushaltgrösse zu (z.B. wenn eine Person in einem 4-Personenhaushalt unterstützt wird, steht ihr ein Viertel der Pauschale für einen Vierpersonenhaushalt zu).

 

2.   Personen in Zweck-Wohngemeinschaften

Unter den Begriff Zweck-Wohngemeinschaften fallen Personengruppen, welche mit dem Zweck zusammenwohnen, die Miet- und Nebenkosten gering zu halten. Die Ausübung und Finanzierung der Haushaltsfunktionen (Wohnen, Essen, Waschen, Reinigen usw.) erfolgt vorwiegend getrennt (vgl. dazu auch Kapitel 6.2.03, Ziffer 3). Durch das gemeinsame Wohnen werden neben der Miete dennoch einzelne Kosten, die im Grundbedarf enthalten sind, geteilt und somit verringert (z.B. Energieverbrauch, Festnetz, Internet, TV-Gebühren, Zeitungen). Deshalb wird der Grundbedarf nicht nach der gesamten Haushaltsgrösse festgelegt, sondern die Unterstützungseinheit bildet die Grundlage und der so bemessene Grundbedarf wird um zehn Prozent reduziert (lit. B.2.3. der Richtlinien ). Lebt also beispielsweise eine Mutter mit ihrem Kind in einer Zweck-Wohngemeinschaft mit anderen Erwachsenen, erhält sie den Grundbedarf für einen Zweipersonenhaushalt abzüglich 10%.

Junge Erwachsene in Wohngemeinschaften erhalten zur Deckung ihres Lebensunterhalts anteilmässig den Grundbedarf auf der Basis eines Zweipersonenhaushaltes (lit. G.1. der Richtlinien). keine eigenen Kinder betreuen.

Rechtsprechung

VB.2019.00023: Pauschaler Abzug vom Grundbedarf für Zweck-Wohngemeinschaften: Grundlage für die Bemessung der Sozialhilfe bilden nach § 17 SHV die SKOS-Richtlinien, wobei begründete Abweichungen im Einzelfall vorbehalten bleiben. Indem der Gesetzgeber die SKOS-Richtlinien für anwendbar erklärte, hat er implizit Pauschalisierungen von finanziellen Hilfeleistungen zugelassen. Die pauschalisierte Hilfe ist bedürftigen Personen grundsätzlich zumutbar, da sie die überwiegende Mehrzahl der Fälle abdeckt. Es bleibt aber zu prüfen, ob die Pauschale im Einzelfall nicht mehr zumutbar ist. Eine Typisierung ist tendenziell individuell zumutbar, wenn daraus lediglich eine geringfügige (finanzielle) Schlechterstellung resultiert (E. 2.1 f.). Auch wenn der Beschwerdeführer nicht von allen für den Abzug beim Grundbedarf beispielhaft aufgezählten Einsparungen profitieren kann, ist nicht ersichtlich, dass er dadurch marginal finanziell schlechter gestellt würde. Die Beschwerdegegnerin durfte daher den in den SKOS-Richtlinien für eine Zweck-Wohngemeinschaft vorgesehenen Abzug auf dem Grundbedarf tätigen (E. 3.2).

VB.2017.00097: Bei der Berechnung des Grundbedarfs ging die Beschwerdegegnerin von einer Zweck-Wohngemeinschaft aus, obwohl der Beschwerdeführer im Haushalt seiner Mutter wohnt. Konsequenterweise hat sie deshalb auch allfällige Wohnkosten des Beschwerdeführers zu übernehmen. Vorliegend ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer kostenlos bei seiner Mutter wohnt, zumal ein Untermietvertrag besteht und die Beschwerdegegnerin bereits seit Februar 2016 Mietkosten bezahlt (E. 5).

VB.2016.00132: Der Beschwerdeführer wehrt sich gegen die von der Sozialbehörde in seinem Unterstützungsbudget aufgrund eines Zwei-Personen-Haushalts erfolgte Anrechnung des hälftigen Mietzinses und macht geltend, da sein Sohn Durchdiener im Militär gewesen sei, habe dieser keinen Nutzen an der Wohnung gehabt, weshalb sich ein Abzug bei den Wohnkosten nicht rechtfertige. Es ist zu differenzieren, ob in der Zeitspanne, in welcher der Sohn Wohnsitz beim Beschwerdeführer hatte, eine familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaft oder eine Zweck-Wohngemeinschaft vorlag. Aus der getrennten Erledigung der Haushaltsfunktionen schloss die Vorinstanz zu Recht auf eine Zweck-Wohngemeinschaft. Da jedoch nur von durchschnittlich zwei Wochenenden pro Monat, welche der Sohn in der Wohnung verbrachte, auszugehen ist, entsprechen die Verhältnisse nicht einem gewöhnlichen Zwei-Personen-Haushalt. Es ist deshalb von den tatsächlich gelebten Verhältnissen auszugehen. Die von der Vorinstanz vorgenommene Kürzung der Wohnkosten auf einen Fünftel ist als angemessen zu bezeichnen (E. 7).

VB.2015.00322: Paare, welche die Haushaltsfunktionen gemeinsam ausüben und/oder finanzieren, werden in der Sozialhilfe als familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaften behandelt. Der Grundbedarf für den Lebensunterhalt richtet sich in diesen Fällen nach der Haushaltgrösse. Er beträgt bei einem Einpersonenhaushalt Fr. 986.- und bei einem Zweipersonen-Haushalt Fr. 755.- pro Person (E. 2.2). Als Zweck-Wohngemeinschaften werden demgegenüber Personengruppen verstanden, die mit dem Zweck zusammen wohnen, die Miet- und Nebenkosten gering zu halten. Der entsprechende Grundbedarf für eine Person wird nur um 10 Prozent reduziert (E. 2.3). Die vorgebrachten Argumente genügen vorliegend nicht, um die Vermutung umzustossen, dass das Liebespaar in einer familienähnlichen Wohn- und Lebensgemeinschaft lebt (E. 3.3).

Bestätigt durch das Bundesgericht mit Urteil 8C_645/2015 vom 10. Dezember 2015

VB.2013.00031: Rückerstattung von Fürsorgegeldern / Anspruch auf Achtung des Familienlebens: Ein mehrwöchiger Besuch (Mitte August bis Ende September 2010) von im Ausland lebenden Verwandten, die selber kaum über Mittel verfügen, darf angesichts des Anspruchs auf Achtung des Familienlebens nicht dazu führen, dass die sozialhilferechtlichen Lebenshaltungs- und Wohnungskosten wegen der vorübergehend angewachsenen Haushaltgrösse reduziert werden (E. 3.3). Im vorliegenden Fall rechtfertigt sich eine Leistungskürzung erst für den Oktober 2010, weil der Beschwerdeführer den Behörden nicht rechtzeitig gemeldet hatte, dass seine Tochter und ihre Familie - nunmehr mit Wohnsitzabsicht - bei ihm lebten (E. 3.4).

Urteil des Bundesgerichts vom 12. Februar 2007, 2P.289/2006, E. 2.5.2:

Ehegatten, die einen gemeinsamen Haushalt führen, werden anders als familienähnliche Gemeinschaften (vgl. SKOS-Richtlinien Ziff. F.5.1; siehe zu den Konkubinatspaaren: BGE 129 I 1 E. 3.2 S. 4 ff.; Urteile 2P.218/2003 vom 12. Januar 2004, E. 3; 2P.386/1997 vom 24. August 1998, E. 3c) unterstützungsrechtlich als Einheit betrachtet, so dass das Einkommen des berufstätigen Ehegatten bei der Ermittlung des sozialen Existenzminimums grundsätzlich voll anzurechnen ist. Umgekehrt bilden Eltern, die mit ihren erwachsenen Kindern zusammenleben, keine Unterstützungseinheit; deshalb rechtfertigt es sich durchaus, sie - wie beispielsweise zusammenwohnende Geschwister - unterstützungsrechtlich als familienähnliche Gemeinschaft zu behandeln und wie bei solchen gegebenenfalls eine Entschädigung für die Haushaltführung anzurechnen (vgl. auch BGE 127 V 244 E. 4b S. 247).

VB.2008.00522: E.4.2: Unter den Parteien ist streitig, ob und inwieweit der Beschwerdegegner und seine (Wohn-)Partnerin sich gegenseitig unterstützen. Im Untermietvertrag vom 15. Oktober 2007 zwischen diesen beiden bestätigen sie unterschriftlich, dass sie verlobt seien und folglich die Unterhaltskosten teilten. Gestützt auf die Annahme, es liege ein Konkubinat vor, erging am 27. Februar 2008 der erste Beschluss der Beschwerdeführerin. Erstmals im Rekurs vom 20. März 2008 erwähnte der Beschwerdegegner, dass sie "kein Paar" mehr seien. Mit Schreiben vom 25. März 2008 führte die (Wohn-)Partnerin gegenüber der Beschwerdeführerin aus, dass der Beschwerdegegner bei ihr als Untermieter wohne. Ein Konkubinat oder eine Ehe bestehe nicht. Beide würden den Haushalt selber erledigen.

Die Beschwerdeführerin durfte im Zeitpunkt, als sie den Beschluss vom 27. Februar 2008 fasste, davon ausgehen, dass nach wie vor ein Verlöbnis vorliege und somit wie bei einem Konkubinatspaar die Haushaltsfunktionen gemeinsam ausgeübt und finanziert würden. Dieser Zeitpunkt ist auch im Beschwerdeverfahren noch beachtlich (Alfred Kölz/Jürg Bosshart/Martin Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. A., Zürich 1999, § 52 N. 16 f.). Auf jeden Fall gingen bei der Beschwerdeführerin keine Hinweise ein, dass das Verlöbnis aufgelöst worden sei, obwohl ein Sozialhilfeempfänger verpflichtet ist, Änderungen in den persönlichen Verhältnissen der Behörde gegenüber zu melden (§ 28 Abs. 1 SHV).

Die Frage, in welcher Form das Zusammenleben des Beschwerdegegners und seiner (Wohn-)Partnerin stattfand, kann letztlich aber offen bleiben. Selbst wenn der Ansicht des Beschwerdegegners zu folgen wäre, wonach die beiden kein Paar seien, weist die konkrete Wohnsituation doch auf eine familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaft hin: Bei der Wohnung handelt es sich um eine 1½-Zimmer-Wohnung im Dachgeschoss, die gemäss Mietvertrag für eine Person vorgesehen ist. Diese räumlich engen Verhältnisse lassen eine vollständig getrennte und je eigenständige Haushaltsführung faktisch gar nicht zu. Ausserdem ist der Auffassung des Bezirksrats zuzustimmen, wonach der nicht erwerbstätige Beschwerdegegner im Verhältnis zu seiner (Wohn-)Partnerin mit einer Vollzeitbeschäftigung faktisch mehr Aufgaben im Haushalt übernehmen dürfte oder zumindest dazu in der Lage wäre als seine (Wohn-)Partnerin. Darin ist denn auch der Anspruch auf eine Entschädigung für die Haushaltsführung begründet.

VB.2007.00379: Ehegatten, die einen gemeinsamen Haushalt führen, werden anders als familienähnliche Gemeinschaften (vgl. SKOS-Richtlinien Ziff. F.5.1) unterstützungsrechtlich als Einheit betrachtet, zu welcher auch die noch nicht mündigen Kinder zählen. Umgekehrt bilden Eltern, die mit ihren erwachsenen Kindern zusammenleben, grundsätzlich keine Unterstützungseinheit; deshalb rechtfertigt es sich durchaus, sie – wie beispielsweise zusammenwohnende Geschwister – unterstützungsrechtlich als familienähnliche Gemeinschaft zu behandeln (vgl. BGr, 12. Februar 2007, 2P.289/2006, E. 2.5.2, siehe oben). In Abweichung dieses Grundsatzes kann aber bei einem mündigen Kind, das im Haushalt der Eltern lebt und sich noch in Erstausbildung befindet und dessen Eltern immer noch zum Unterhalt verpflichtet sind, dennoch von einer wirtschaftlichen Unterstützungseinheit ausgegangen werden In solchen Fällen ist der Bedarf gesamthaft festzulegen und danach auf die einzelnen Fälle entsprechend aufzuteilen.

VB.2007.00317: E.5.1: (…) Damit ein gemeinsamer Haushalt vorliegt, ist von einer gewissen Dauerhaftigkeit des gemeinschaftlichen Wohnens auszugehen. Aus einer bloss gelegentlichen Beherbergung im Rahmen von verwandtschaftlichen Besuchen folgt noch keine gemeinsame Haushaltsführung (…).

VB.2001.00224: Festlegung des Grundbedarfs (I) für zwei Ein- oder einen Zweipersonenhaushalt. Personen, die alle oder wichtige Haushaltsfunktionen gemeinsam ausüben, sind bei der Bemessung des Grundbedarfs als ein Haushalt zu behandeln. Die Vorinstanz stützte ihren Befund, es liege ein Zweipersonenhaushalt vor, auf mehrere aktenkundige Umstände. Die Annahme einer familienähnlichen Gemeinschaft und damit eines Mehrpersonenhaushalts bei der Bedarfsberechnung setzt wie erwähnt voraus, dass die betreffenden Personen alle oder mindestens wichtige Haushaltsfunktionen gemeinsam ausüben und finanzieren. Das wiederum bedingt vorab eine Wohnsituation, die sich durch gemeinsame Nutzung von Räumen kennzeichnet; erforderlich ist ferner die Absicht der Betroffenen, den Haushalt ganz oder zumindest teilweise gemeinsam zu führen. Nicht erforderlich ist hingegen - wie das Beispiel der heute häufig gebildeten Wohngemeinschaften vor allem junger Leute ("WG") zeigt - eine enge persönliche Beziehung zwischen den beteiligten Personen (E.3.d). Der Behörde obliegt der Beweis, dass ein Zweipersonenhaushalt vorliegt, wobei die Unterstützten eine Mitwirkungspflicht trifft. Deuten die äusseren Umstände, insbesondere die Wohnsituation, genügend deutlich auf einen Zweipersonenhaushalt und liegen keine gegenteiligen Anzeichen vor, sind keine weiteren Abklärungen nötig. Hier liegt ein Grenzfall vor. Äussere Wohnsituation und persönliche Beziehung der Beschwerdeführenden deuten auf einen Zweipersonenhaushalt, insbesondere die Krankheit der Beschwerdeführerin weckt aber Zweifel, ob wichtige Haushaltfunktionen gemeinsam ausgeübt werden. Die Sache ist zur ergänzenden Abklärung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.

VB.2000.00072: Gemeinsamer Haushalt von unterstützten und nicht unterstützten Personen. Bei der Festlegung des Grundbedarfs (I) ist von der gesamten Haushaltsgrösse auszugehen, gleichgültig, ob alle Mitglieder unterstützt werden oder nicht.

Wenn jemand zusammen mit weiteren Personen in einer Wohnung bzw. einem Einfamilienhaus lebt, ist normalerweise ein gemeinsamer Haushalt bzw. eine familienähnliche Gemeinschaft (und keine völlig unabhängige und selbständige Untermiete) zu vermuten. Der für ein bedürftiges Mitglied auszurichtende Unterhaltsbeitrag ist deshalb nicht separat, sondern als Anteil am ganzen Haushalt zu ermitteln.

Praxishilfen