6.2.02. Sachverhaltsabklärung

Rechtsgrundlagen

§ 10 SHEV

§ 23 SHEV

 

SKOS-Richtlinien, Kapitel A.4.1

Erläuterungen

1.   Abklärung von Amtes wegen und Mitwirkungspflicht

1.1.   Grundsätzliches

Grundsätzlich gilt im Sozialhilferecht die Untersuchungsmaxime. Das bedeutet, dass die sachlich und örtlich zuständige Sozialbehörde den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären hat. Allerdings kommt dabei der Mitwirkung der betroffenen Person eine besondere Bedeutung zu, ist sie doch verpflichtet, das Notwendige für die Abklärungen beizubringen (Art. 26 Abs. 1 SHEG; zu den Mitwirkungsrechten und -pflichten siehe Kapitel 5.1.08). Zudem entbindet die Untersuchungsmaxime die betroffene Person nicht davon, den massgeblichen Sachverhalt darzustellen.

 

1.2.   Mitwirkungspflicht bei der Sachverhaltsabklärung

Die Mitwirkungspflicht betrifft in erster Linie Tatsachen, welche die betroffene Person besser kennt als die Behörden und welche diese ohne Mitwirken einer Partei gar nicht oder nicht mit vernünftigem Aufwand erheben könnte. Mitwirkungspflichten erschöpfen sich nicht darin, lediglich Fragen zu beantworten und unvollständige Unterlagen über die finanziellen Verhältnisse vorzuweisen. Notwendig sind umfassende und genaue Angaben über Einkommen und Vermögen. Umfang und Art der Mitwirkungspflicht von Hilfesuchenden richten sich grundsätzlich nach der Zumutbarkeit und Verhältnismässigkeit. Ist eine Person zur Mitwirkung nicht in der Lage, darf von ihr eine solche nicht verlangt werden. Unterlässt die mitwirkungspflichtige Person allerdings die verhältnismässige, ihr zumutbare Mitwirkung, hat sie die Folgen dieser Säumnis zu tragen. Diese bestehen in erster Linie darin, dass die Behörde ihren Entscheid aufgrund der Akten und - soweit dies nicht möglich ist - nach freiem Ermessen trifft.

Zur Durchsetzung der Mitwirkungspflicht vgl. Kapitel 14.1.

1.3.   Sachverhaltsabklärung durch die Behörde

Die Abklärung der persönlichen und finanziellen Verhältnisse erfolgt durch Befragung der betroffenen Person und ihrer Familienangehörigen, durch Beibringen von Unterlagen durch die Antragstellenden, durch Informationsbeschaffung des Sozialdienstes sowie ausnahmsweise durch den Beizug von Sachverständigengutachten. Ausserdem kann sich die Sozialbehörde auf Erhebungen anderer Stellen stützen. Weiter muss die betroffene Person auch über die finanziellen und persönlichen Verhältnisse anderer mit ihr zusammenlebender Personen Auskunft erteilen, soweit dies für den gesetzlichen Auftrag der Sozialhilfe geeignet und erforderlich ist Das Sozialhilfegesetz kennt keine abschliessende Aufzählung der möglichen Beweismittel. So kann beispielsweise auch ein Augenschein in der Wohnung der betroffenen Person ein Bild über ihre soziale und wirtschaftliche Lage vermitteln. Dabei ist zu beachten, dass Art. 13 Abs. 1 BV den Schutz der Räumlichkeiten des Einzelnen gewährleistet. Das Interesse auf Sachverhaltsabklärung muss hier gegen dieses Grundrecht sorgfältig abgewogen werden (vgl. dazu Kapitel 1.1.02). Ein Hausbesuch darf also nur durchgeführt werden, wenn dazu ein konkreter Anlass besteht. Er muss in der Regel rechtzeitig angekündigt werden und darf nicht zu Unzeit erfolgen. Im Rahmen der Sozialhilfe darf ein Zutritt zur Wohnung nicht erzwungen werden, sondern nur im Einverständnis mit der betroffenen Person erfolgen.

 

Notwendige Informationen, welche die Behörde ohne grossen Aufwand selber beschaffen kann, muss sie bei Bedarf aber direkt einholen (z.B. Meldebestätigungen durch die Einwohnerkontrolle, Steuerinformationen im Rahmen der Prüfung der Verwandtenunterstützung). Die Behörde ist sodann nicht an die Vorbringen der betroffenen Person gebunden, sondern sie muss - soweit dies notwendig ist - eigene Abklärungen treffen. Sie darf aber den Sachverhalt nur soweit abklären, als er für sie rechterheblich ist, das heisst, die Abklärung muss in einem direkten Zusammenhang mit der Anspruchsprüfung und der Ausrichtung der wirtschaftlichen Hilfe stehen.

Bestehen Zweifel an der Richtigkeit oder der Vollständigkeit der von den Mitwirkungspflichtigen eingereichten Unterlagen und getätigten Angaben, kann die Sozialbehörde auch ohne Zustimmung der betroffenen Person Auskünfte bei Gerichts - und Verwaltungsbehörden einholen. Dies soweit sie die Angaben für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt (Art. 6 Abs. 4 SHEG).

Zur Informationsbeschaffung durch die Sozialdienste vgl. Kapitel 5.2.05 und Kapitel 5.2.07.

 

2.   Unterlagen der antragstellenden Person zur Sachverhaltsabklärung

Die nachfolgende Aufzählung ist beispielhaft zu verstehen. Das bedeutet, dass nicht in jedem Fall alle Unterlagen nötig sind, sondern es sind jene Belege einzufordern, die für die Anspruchsprüfung im speziellen Einzelfall notwendig sind.

2.1.   Unterlagen zur Person bzw. zu den Personen

Es sind für alle zur Unterstützungseinheit gehörenden Personen, also für Ehegatten/-innen, eingetragene Partner/-innen und minderjährige Kinder die Personalien zu klären.

  • Schriftenempfangsschein, Personalausweis, Pass oder Identitätskarte

  • Ausländerausweis

  • Familienbüchlein

2.2.   Allgemeine Unterlagen zur finanziellen Situation (Einnahmen und Ausgaben sowie Vermögen)

  • Mietvertrag und letzte Mietzinsquittungen

  • Krankenkassenausweis und letzte Prämienquittungen

  • Rechnungen für Hort, Krippe oder Tagesmutter

  • Versicherungspolicen (Hausrat-/Haftpflichtversicherung, Zusatzversicherungen, Lebensversicherungen, Mietkautionsversicherungen etc.)

  • Spar-, Abzahlungs- und Darlehensverträge

  • Steuererklärungen bzw. Steuerausweise

  • Nachweise weiterer offener Schulden

  • Lohnabrechnungen für alle erwerbstätigen Familienangehörigen

  • Verfügungen bzw. Ausweise über den Bezug von Leistungen der AHV, IV, SUVA, Krankgentaggeldversicherung und von Zusatzleistungen

  • Verfügungen bzw. Ausweise über den Bezug von Stipendien

  • Bank und PC-Auszüge der letzten sechs Monate sowie Wertschriften

  • Freizügigkeitspolicen der beruflichen Vorsorge

  • Abrechnung Pekulium

  • etc.

2.3.   Unterlagen über weitere Vermögenswerte

  1. Fahrzeuge (Auto und Motorrad):

  2. Liegenschaften (im In- und Ausland):

  3. Schmuck und weitere Wertsachen:

  4. Unverteilte Erbschaften:

  5. Buchwerte:

    • Leasing-, Kauf- oder Abzahlungsverträge

    • Fahrzeugausweis

    • Versicherungspolice

    • etc.

    • Grundbuchauszug

    • Versicherungspolicen

    • Kaufvertrag

    • Hypothekarunterlagen

    • Verkehrswertschätzungen

    • etc.

    • Versicherungsunterlagen

    • Schätzungs- und Verkehrswertunterlagen

    • etc.

    • Erbenbescheinigung

    • Erbschaftsinventar

    • Unterlagen zum Verfahrensstand

    • Depotauszüge

    • Verkehrswertschätzungen

    • etc.

2.4.   Spezifische Unterlagen aufgrund der Situation der betroffenen Person

  1. Bei Arbeitslosigkeit:

  2. Bei Arbeitsunfähigkeit:

  3. Bei Scheidung, Trennung und nicht mit beiden Elternteilen zusammenlebenden Kindern:

  4. Bei Personen, die gestützt auf Art. 61a Abs. 3 AIG grundsätzlich vom ordentlichen Sozialhilfebezug ausgeschlossen sind, muss geprüft werden, ob

    • Kündigungsschreiben des letzten Arbeitgebers

    • Letzte Lohnabrechnung

    • Taggeldabrechnungen

    • Formulare betr. Arbeitsbemühungen

    • Belege über die Aussteuerung

    • Unterlagen über besuchte Kurse, Programme während des Bezugs von Arbeitslosentaggeldern

    • etc.

    • Arztzeugnis

    • Allfällige Ablehnungsverfügungen von IV, SUVA und Krankgentaggeldversicherung

    • etc.

    • Trennungs-, Scheidungs- oder Vaterschaftsurteile

    • Belege über Alimentenzahlungen bzw. -verpflichtungen (Kinder- und Ehegattenalimente)

    • Belege über den Eingang von Kinder- und Ehegattenalimenten bzw. Alimentenbevorschussungen

    • das Arbeitsverhältnis aufgrund vorübergehender Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, Unfall oder Invalidität aufgelöst wurde oder ob

    • die betroffene Person weiterhin über Arbeitnehmereigenschaften verfügt (z.B. weil sie noch einer anderen Erwerbstätigkeit nachgeht) oder ob

    • die betroffene Person sich auf einen anderen Aufenthaltsanspruch berufen kann (z.B. ein Aufenthaltsrecht aus familiären Gründen besteht, also u.a. wenn die betroffene Person mit einer oder einem Schweizer Staatsangehörigen oder einer ausländischen Person mit Aufenthaltsrecht (und ohne Sozialhilfeausschluss) in der Schweiz verheiratet ist oder in eingetragener Partnerschaft lebt).

Ergibt die Sachverhaltsprüfung durch die Sozialbehörde aufgrund der eingereichten Belege, dass jemand ordentlich unterstützt werden kann und ist eine akute Notlage zumindest glaubhaft gemacht (vgl. Kapitel 6.1.02 Ziff. 4), ist bereits vor der abschliessenden Prüfung der Anspruchsberechtigung die notwendige Hilfe auszurichten.

 

Ergeben die Sachverhaltsabklärungen kein klares Bild oder sind sich die Sozialbehörde und die gesuchstellende Person in ihrer Einschätzung nicht einig, ob gestützt auf das AIG ein Sozialhilfeausschluss besteht oder nicht, muss die Sozialbehörde das kantonale Migrationsamt um vorfrageweise Prüfung des Sachverhalts ersuchen. Bis zur Klärung des Sachverhalts ist lediglich Notfallunterstützung zu leisten. Ergibt sich nach Abschluss der Prüfung, dass die betroffene Person einen Anspruch auf ordentliche Sozialhilfe hat, besteht dieser Anspruch grundsätzlich ab Einreichung des Sozialhilfeantrags.

EU-/EFTA-Bürgerinnen und -Bürger, die innerhalb der ersten zwölf Monate ihres Aufenthalts in der Schweiz ihre Stelle freiwillig aufgeben, verlieren ihre Arbeitnehmereigenschaft mit der Stellenaufgabe und damit erlischt auch ihr Aufenthaltsrecht. Sie haben lediglich Anspruch auf Notfallhilfe.

  1. etc.

3.   Beizug von Sachverständigen

Zur hinreichenden Sachverhaltsabklärung genügt es in der Regel, wenn die Behörden über ein Gesuch um wirtschaftliche Hilfe gestützt auf die Akten, die eigenen Wahrnehmungen - insbesondere durch persönliche Befragung - und den eigenen Sachverstand entscheiden. Sachverständigengutachten sind daher nur ausnahmsweise beizuziehen. Der Beizug von Fachleuten kann namentlich zur Klärung von medizinischen Fragen erforderlich sein. So kann beispielsweise eine vertrauensärztliche Untersuchung dazu dienen, die Arbeitsfähigkeit eines Sozialhilfeempfängers bzw. einer Sozialhilfeempfängerin zu prüfen und damit den Sachverhalt zu ermitteln, ob bzw. inwieweit die Voraussetzungen für die Ausrichtung von Sozialhilfeleistungen erfüllt sind (§ 23 SHEV).

4.   Gewährung des rechtlichen Gehörs

Im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs (vgl. dazu Kapitel 1.2.02, Ziffer 4) muss der betroffenen Person Gelegenheit gegeben werden, sich zu den Sachverhaltsabklärungen zu äussern.

 

5.   Anlegen eines Dossiers

Der Unterstützungsantrag sowie die eingeforderten Unterlagen werden in einem Dossier angelegt. Dies auch dann, wenn sich nach Abklärung des massgeblichen Sachverhalts herausstellen sollte, dass kein Anspruch auf Ausrichtung von wirtschaftlicher Hilfe oder Notfallhilfe besteht. Zieht die betroffene Person ihr Gesuch zurück, müssen die Mitteilung des Rückzugs sowie Korrespondenzen und allfällige Aktennotizen von Besprechungen, die zum Rückzug führten, im Dossier aufgenommen werden. Die übrigen Unterlagen sollen ihr zurückgegeben werden.

Zur Aktenführung siehe Kapitel 6.3.01

 

Rechtsprechung

Zu Untersuchungsmaxime und Mitwirkungspflichten:

VB.2020.00114: E.2.4: Für eine belastende Verfügung trägt grundsätzlich die Verwaltung die Beweislast. Für die Beurteilung des unterstützungsrelevanten Sachverhalts kann sie sich dabei veranlasst sehen, von bekannten Tatsachen (Vermutungsbasis) auf unbekannte (Vermutungsfolge) zu schliessen. Tatsächliche Vermutungen können sich in allen Bereichen der Rechtsanwendung ergeben, namentlich auch im öffentlichen Recht. Es handelt sich dabei um Wahrscheinlichkeitsfolgerungen, die aufgrund der Lebenserfahrung gezogen werden. Als Problem der Beweiswürdigung berührt die tatsächliche Vermutung weder die Beweislast noch die das Verwaltungsverfahren beherrschende <Untersuchungsmaxime>. Ist aus den vorhandenen Akten nach der Lebenserfahrung der Schluss zu ziehen, dass eine hilfeempfangende Person beispielsweise nicht deklarierte Einkünfte erzielte oder eine nicht deklarierte Liegenschaft besitzt, obliegt es dieser, die Vermutung durch den Gegenbeweis bzw. erhebliche Zweifel umzustürzen (Beweislastumkehr, vgl. BGE 130 II 482 E. 3.2; VGr, 1. Oktober 2015, VB.2015.00265, E. 5.3 f., 7.4; VGr, 1. Juli 2015, VB.2015.00229, E. 4.2; VGr, 10. Februar 2011, VB.2010.00640, E. 4.3). Gelingt es der hilfeempfangenden Person dabei nicht, mit substanziierten Sachdarstellungen den begründeten Verdacht zu widerlegen, kann die wirtschaftliche Hilfe zurückgefordert werden (VGr, 1. Oktober 2015, VB.2015.00265, E. 5.4; VGr, 10. Februar 2011, VB.2010.00640, E. 4.3). Die hilfeempfangende Person hat bei hinreichender Vermutungsbasis mit geeigneten Mitteln nachzuweisen, dass ihr die entdeckten Vermögenswerte entgegen ihrem Anschein nicht zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden haben und der Fürsorgebezug trotz vorhandenen Geldern rechtmässig gewesen war (VGr, 25. Januar 2018, VB.2017.00263, E. 3.8).

VB.2018.00186: E.3.4: Grundsätzlich gilt im Sozialhilferecht die Untersuchungsmaxime. Das bedeutet, dass die sachlich und örtlich zuständige Sozialbehörde den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären hat. Allerdings kommt dabei der Mitwirkung der betroffenen Person eine besondere Bedeutung zu, ist sie doch verpflichtet, das Notwendige für die Abklärungen beizubringen (§ 18 des Sozialhilfegesetzes vom 14. Juni 1981 [SHG], § 27 Abs. 1 SHV, § 28 SHV). Zudem entbindet die Untersuchungsmaxime die betroffene Person nicht davon, den massgeblichen Sachverhalt darzustellen. Erfüllt die gesuchstellende Person ihre Mitwirkungspflichten nicht, obwohl sie dazu ermahnt und über die Konsequenzen schriftlich informiert wurde, kann ein allfälliger Anspruch auf Sozialhilfe durch das Sozialhilfeorgan nicht geprüft werden (VGr, 21. April 2016, VB.2015.00216, E. 3.2 f. mit weiteren Hinweisen; Sozialhilfe-Behördenhandbuch, Kap. 6.2.02, Ziff. 1.2, 26. Januar 2014 sowie Kap. 6.2.08, Ziff. 1.2, 1. Juli 2012). Vgl. auch VB.2017.00507, E.2.2.

VB.2016.00817: Angesichts des rasanten, unerklärten und an Rechtsmissbrauch grenzenden Vermögensschwunds und des ungeklärten Verbleibs der kurz vor dem Gesuch um Sozialhilfe abgehobenen Geldmittel ging die Vorinstanz zu Recht davon aus, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Gesuchs nicht mittellos war. Vielmehr ist anzunehmen, wie der Beschwerdeführer auch in seiner Rekursschrift bestätigte, dass er Geld auf die Seite geschafft hat (E. 2).

VB.2015.00216: E. 3.3: Entsprechend ist die Behörde nicht verpflichtet, auf ein Gesuch für wirtschaftliche Hilfe einzutreten, wenn eine gesuchstellende Person, die aktuell nicht bereits Sozialhilfe bezieht, sich weigert, die zur Bedarfsbemessung nötigen Angaben und Unterlagen vorzulegen. Tritt sie nicht ein, hat sie einen förmlichen Nichteintretensentscheid zu eröffnen. Voraussetzung ist auch hier, dass die verlangte Mitwirkung der gesuchstellenden Person zumutbar ist und sie dazu ermahnt sowie über die Konsequenzen schriftlich informiert wurde (Sozialhilfe-Behördenhandbuch, Kap. 14.3.03 Ziff. 2.2, 28. September 2015). Das Nichteintreten muss sich als verhältnismässig erweisen und kommt insbesondere dann nicht infrage, wenn nur eher untergeordnete Informationen oder Belege fehlen.

VB.2013.00262: Zur Frage des genügenden Nachweises der Mittellosigkeit bei einer selbständig Erwerbenden: Nach Aufgabe eines Kleiderladens aus finanziellen Gründen stellte A. am 2. März 2012 das Gesuch um wirtschaftliche Hilfe unter teilweise belegten Angaben über ihre Verhältnisse. Am 13. April 2012 legte sie weitere Unterlagen ein. Aus diesen hätte auf das Vorliegen der Mittellosigkeit geschlossen werden müssen: Einzufordern sind jene Belege, die für die Anspruchsprüfung im speziellen Einzelfall notwendig sind. Die von der Beschwerdeführerin bis zum 18. April 2012 eingelegten Unterlagen waren durchaus geeignet, die Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin schon in jenem Zeitpunkt zu belegen, selbst wenn sie noch nicht vollständig der Liste der einverlangten Dokumente entsprachen (E.5.3). Es ist nicht einzusehen, weshalb die Beschwerdeführerin aufgefordert wurde, einen Grossteil der bereits eingelegten Belege noch im Original nachzureichen (E. 5.5).

VB.2012.00654: Zeitpunkt des Unterstützungsbeginns: Ergibt sich am Ende der behördlichen Sachverhaltsabklärung, dass eine um Sozialhilfe ersuchende Person seit Einreichung ihres Sozialhilfegesuchs mittellos ist, so stehen ihr ab Gesuchseinreichung Unterstützungsleistungen zu. Verletzt die gesuchstellende Person während der Dauer der Sachverhaltsabklärung ihre Mitwirkungspflicht, so kann dies allenfalls zu einer Kürzung, nicht aber zur Einstellung der Sozialhilfeleistungen führen. Im vorliegenden Fall gewährte die Sozialbehörde dem Beschwerdeführer demnach zu Unrecht erst drei Monate nach Einreichung des Sozialhilfegesuchs Fürsorgeleistungen (E. 4.2).

VB.2005.00164, E.2.1: Nach § 3 SHG hat die Durchführung der Sozialhilfe in Zusammenarbeit mit dem Hilfesuchenden zu erfolgen. Dieser hat daher bei der Abklärung der für die Unterstützung massgebenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse mitzuwirken und muss gemäss § 18 SHG und den §§ 27 f. SHV wahrheitsgemäss Auskunft geben und Einsicht in seine Unterlagen gewähren (vgl. auch SKOS-Richtlinien, Kap. A.5.2). Umfang und Art dieser Mitwirkungspflicht richten sich grundsätzlich nach der Zumutbarkeit und Verhältnismässigkeit und entbinden die Behörde nicht von der eigenen Aufgabe, den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären, wozu nebst der Befragung der Beteiligten auch die Befragung von Auskunftspersonen, der Beizug von Amtsberichten, Urkunden und Sachverständigen gehören können (§ 7 Abs. 1 VRG). § 27 Abs. 1 Satz 2 SHV sieht denn auch für die Abklärung der Verhältnisse den Beizug weiterer Personen ausdrücklich vor, wenn auch davon zurückhaltend Gebrauch gemacht werden soll.

VB.2004.00456, E.3.6.2: Eingeschränkt wird der als Verfahrensmaxime grundsätzlich vorherrschende Untersuchungsgrundsatz durch die Mitwirkungspflicht der am Verfahren Beteiligten, wie sie im Verfahren um Gewährung von wirtschaftlicher Hilfe besteht (§ 7 Abs. 2 VRG; § 18 Abs. 1 SHG, § 27 Abs. 1, § 28 SHV). Der Beschwerdeführer unterzeichnete auch eine entsprechende Erklärung. Im Beschwerdeverfahren entbindet die Untersuchungsmaxime die Parteien nicht von der Obliegenheit, den massgebenden Sachverhalt in den Rechtsschriften darzustellen. Die objektive Beweislast tragen die Parteien trotz Geltung der Untersuchungsmaxime. Sie sind daher schon aus praktischen Gründen gezwungen, die ihnen nützlich scheinenden tatsächlichen Behauptungen aufzustellen und entsprechende Beweisbegehren zu stellen. Es ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts, systematisch die für die eine oder andere Partei günstigen Tatsachenelemente zu erforschen (Kölz/Bosshart/Röhl, § 60 N. 1).

Praxishilfen

Einholen eines detaillierten Arztzeugnisses

(Schreiben der Sozialbehörde an den behandelnden Arzt / die behandelnde Ärztin)

Wir betreuen zurzeit Ihre/n oben genannte/n Patienten/in. Damit wir die für die Unterstützung nötigen Anordnungen treffen können, bitten wir Sie, folgende Fragen zu beantworten (der Fragenkatalog ist beispielhaft zu verstehen):

  • Seit wann ist der/die Patient/-in bei Ihnen in Behandlung?

  • Weswegen steht er / sie in Behandlung?

  • Seit wann ist er / sie und in welchem Grad arbeitsunfähig? Betrifft die Arbeitsunfähigkeit nur die zuletzt ausgeübte Tätigkeit? Falls ja, welche anderen Tätigkeiten kann er / sie in welchem Umfang ausüben? Wann kann mit einer vollständigen Arbeitsfähigkeit gerechnet werden?

  • Sofern weitere medizinische Leistungen wie z.B. eine Therapie, Kur oder Diätnahrung aus ärztlicher Sicht angezeigt sind, können Sie diese hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Zweckmässigkeit genauer begründen?

  • Ist aus Ihrer Sicht eine IV-Anmeldung (Umschulung oder Rentenbezug) angezeigt?

  • Welche weiteren Massnahmen können hinsichtlich der Wiedereingliederung der Patientin / des Patienten getroffen werden?

(Unterschrift der Amtsstelle)

Erklärung:

Der/die Unterzeichnete entbindet den oben genannten Arzt / die oben genannte Ärztin ausdrücklich von der ärztlichen Schweigepflicht der Sozialbehörde ... gegenüber.

(Unterschrift des Klienten/der Klientin)