6.2.07. Entscheid über die Unterstützung

Rechtsgrundlagen

Art. 33 SHEG

Erläuterungen

1.   Formeller Unterstützungsentscheid

1.1.   Voraussetzungen

Im Anschluss an die Sachverhaltsabklärung, in welcher die persönlichen, familiären und finanziellen Verhältnisse der betroffenen Person ausreichend abgeklärt worden sind (Kapitel 6.2.02), ist zu entscheiden, ob ein Anspruch auf Unterstützung besteht oder nicht. Grundlage hierfür bilden die Sachverhaltsabklärungen und die Bedarfsrechnung (vgl. Kapitel 6.2.05). Bevor der Entscheid erlassen werden kann, ist der betroffenen Person das rechtliche Gehör zu gewähren. (vgl. dazu Kapitel 1.2.02, Ziffer 4). In der Regel ist es sinnvoll, schon vor dem Entscheid über die Unterstützung einen Hilfeplan zu erstellen.

 

1.2.   Abtretung vermögensrechtlicher Ansprüche gegenüber Dritten

Auch wenn grundsätzlich ein Anspruch auf wirtschaftliche Hilfe besteht, kann die Ausrichtung derselben davon abhängig gemacht werden, dass die betroffene Person vermögensrechtliche Ansprüche gegenüber Dritten (z.B. Taggelder der Arbeitslosenversicherung und IV-Renten) der Sozialbehörde abtritt bzw. einer Drittauszahlung zustimmt.

1.3.   Form des Grundentscheides

Wer ein Gesuch um wirtschaftliche Hilfe im Sinne von Art. 25 SHEG stellt, hat Anrecht auf einen formellen, begründeten Entscheid. Dieser kann in der Form eines Beschlusses, einer Verfügung oder als entsprechender mit Rechtsmittelbelehrung versehener Protokollauszug ergehen. Im Entscheid sollen die Grundregeln für den Sozialhilfebezug, insbesondere die Informations- und Mitwirkungspflichten, die grundsätzliche Pflicht zur Minderung der Bedürftigkeit und die Zweckgebundenheit der ausgerichteten wirtschaftlichen Hilfe angeführt werden. Weiter soll auf die Möglichkeit, die wirtschaftliche Hilfe mit Auflagen und Weisungen zu verbinden, hingewiesen werden. Der Entscheid muss soweit begründet sein, dass er ohne Weiteres nachvollziehbar ist. Lebt jemand mit anderen Erwachsenen zusammen, muss beispielsweise begründet werden, weshalb von welcher Haushaltsgrösse ausgegangen wird. Macht die Behörde im Grundentscheid Auflagen, muss klar sein, weshalb die Auflage angeordnet wird, welches Ziel damit verfolgt wird und was unternommen werden muss, um die Auflage zu erfüllen. Ausserdem müssen die Folgen der Pflichtverletzung festgehalten werden (vgl. dazu Kapitel 14.1.01). Im Grundentscheid sollte ein Hinweis auf die Voraussetzungen von Rückerstattungsverpflichtungen nicht fehlen und dass die Behörde eine allfällige Verwandtenunterstützungspflicht prüfen kann. Weiter soll festgehalten werden, wann der Anspruch das nächste Mal vollständig geprüft wird. Das Budgetblatt und der Hilfeplan sollen als integrierender Bestandteil der Begründung erklärt werden, wenn darauf verwiesen wird.

 

Der Entscheid beinhaltet also

  • die Festlegung, ob und ab welchem Zeitpunkt eine Unterstützung erfolgt und in welcher Form diese ergeht

  • die Grundsätze über die Berechnung der Unterstützung

  • Grundregeln und -pflichten beim Bezug wirtschaftlicher Hilfe

  • Hinweis auf die Möglichkeit, die wirtschaftliche Hilfe mit Auflagen und Weisungen zu verbinden

  • Konkrete Auflagen und Folgen der Pflichtverletzung

  • Ausführungen über Rückerstattungspflichten und Prüfung von Ansprüchen gegenüber Dritten

  • Angabe über den Zeitpunkt der nächsten Anspruchsprüfung durch die Behörde.

Verfügt die unterstützte Person über Grundeigentum von erheblichem Wert, das zurzeit aber nicht realisiert werden kann oder dessen Realisierung momentan nicht zumutbar ist oder wurde wegen erheblichen nicht realisierbaren Vermögenswerten ein Pfandvertrag abgeschlossen oder eine Rückerstattungsverpflichtung unterzeichnet, ist dies ebenfalls im Entscheid festzuhalten. Das Grundeigentum ist dabei mit Hilfe des Grundbuchauszuges genau zu bezeichnen. Weiter ist festzuhalten, dass die Sozialhilfeleistungen gestützt auf § 20 SHG gegen die Unterzeichnung einer Rückerstattungsverpflichtung und pfandrechtliche Sicherstellung ausgerichtet werden.

 

Nähere Ausführungen zur Form einer Verfügung bzw. eines Entscheides im Verwaltungsverfahren finden sich in Kapitel 1.2.01.

 

2.   Dringende Fälle

In dringenden Fällen muss die wirtschaftliche Hilfe sofort (d.h. vor einem Entscheid der Sozialbehörde und allenfalls sogar aufgrund einer bloss summarischen Prüfung vor der vollständigen Klärung der Verhältnisse) geleistet werden. Die Sozialreferentin bzw. der Sozialreferent entscheidet daher gemäss § 3 Abs. 2 in Notfällen über die Gewährung einer begrenzten materiellen Hilfe, sofern das Gesuch von der Sozialhilfebehörde voraussichtlich nicht innert nützlicher Frist beurteilt werden kann. Denkbar sind auch Zirkularbeschlüsse.

Unabhängig davon, wie das Sozialhilfewesen in der Gemeinde organisiert ist, darf es jeden-falls nicht vorkommen, dass dringend notwendige Unterstützungen aus formalen bzw. terminlichen Gründen nicht rechtzeitig geleistet werden. Dies würde auch dem Grundsatz der Rechtzeitigkeit der Hilfe gemäss Art. 5 Abs. 2 SHEG (vgl. Kapitel 5.1.07) widersprechen.

 

3.   Unterstützungsbeginn

Der Beginn der Ausrichtung der wirtschaftlichen Hilfe fällt mit der Gesuchseinreichung bzw. dem Anhängigmachen des Verfahrens zusammen (vgl. Kapitel 6.1.01). Die wirtschaftliche Hilfe ist auch dann ab diesem Zeitpunkt geschuldet, wenn sich die Sachverhaltsabklärung in die Länge zieht. Sollte dies an der mangelnden Mitwirkung der betroffenen Person liegen, muss sie in Form einer Auflage und unter der Androhung der Folgen aufgefordert werden, die notwendigen Unterlagen beizubringen (vgl. Kapitel 6.2.02 und Kapitel 14.1.03).

 

4.   Laufende Unterstützung

Ergeben sich während der laufenden Unterstützung Veränderungen gelten die gleichen Verfahrensvorschriften. Ist die ausrichtende Stelle mit den entsprechenden Kompetenzen ausgestattet, kann bei einfachen Anpassungen des Budgets dasselbe mit einer Rechtsmittelbelehrung ausgestattet der betroffenen Person zugestellt oder überreicht werden.


Rechtsprechung

VB.2019.00205: Bei der Gewährung wirtschaftlicher Hilfe handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der einen Dauersachverhalt betrifft und unter dem Vorbehalt sich ändernder Verhältnisse steht. Die Pflicht der hilfesuchenden Person nach § 18 SHG zur Mitwirkung bei der Abklärung des Sachverhalts besteht auch während der Dauer der Unterstützung (E. 3.1). Der angefochtene Leistungsentscheid befristete nicht den Sozialhilfeanspruch des Beschwerdeführers, sondern setzte ein monatliches Unterstützungsbudget für den Zeitraum fest, bis die Behörde gemäss § 33 SHV den Anspruch des Beschwerdeführers auf wirtschaftliche Hilfe neu überprüfen muss (E. 3.2). An einer unbefristeten Festsetzung des monatlichen Unterstützungsbudgets besteht kein schutzwürdiges Interesse (E. 4).

VB.2018.00145: Die Sozialhilfebehörde trat aufgrund einer von der Arbeitslosenkasse verfügten Einstellung auf das erneute Unterstützungsgesuch des Beschwerdegegners, welcher bereits ca. ein halbes Jahr zuvor Sozialhilfe bezog, nicht ein, da er die Einstelltage selbst verschuldet habe. Die Vorinstanz hob den Nichteintretensentscheid als unrechtmässig auf und wies die Beschwerdeführerin an, auf das Gesuch einzutreten und es ordentlich zu prüfen.
Die Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdegegner auf die Geltendmachung eines Ersatzeinkommens - verschuldet oder unverschuldet - verzichtet haben soll und somit eine Verletzung des Subsidiaritätsgrundsatzes vorliege, ist keine Eintretensvoraussetzung. Vielmehr ist die Bedürftigkeit im Rahmen der Sachverhaltsabklärung zu ermitteln und das Gesuch gegebenenfalls mangels Bedürftigkeit abzuweisen. Der Anspruch auf Sozialhilfe ist selbst dann zu prüfen, wenn Leistungen, die der Sozialhilfe aufgrund des Subsidiaritätsprinzips grundsätzlich vorgehen würden, wegen eines Verschuldens des Gesuchstellers verweigert wurden. Mit dem Nichteintretensentscheid hat die Beschwerdeführerin bereits die Prüfung des Gesuchs verweigert (E. 4.2).

VB.2007.00390: Die Beschwerdegegnerin durfte nicht allein aufgrund einer telefonischen Mitteilung der Tante der Beschwerdeführerin davon ausgehen, dass Letztere ihr Gesuch um wirtschaftliche Hilfe zurückziehe. Allerdings widerspricht das Vorgehen der Beschwerdeführerin Treu und Glauben, wenn sie erst nach knapp zweieinhalb Jahren erstmals im Rekursverfahren beanstandet, dass über ihr erstes Gesuch um wirtschaftliche Hilfe nicht entschieden worden sei. Dies insbesondere auch unter der Berücksichtigung, dass die Beschwerdeführerin die angeforderten Unterlagen bei der Beschwerdegegnerin nicht eingereicht hatte (E. 3.3).
Wird ein Gesuch um wirtschaftliche Hilfe vorerst im Hinblick auf allfällige Stipendien als "Bevorschussungsfall" behandelt, darf der gesuchstellenden Person daraus kein Nachteil erwachsen. Nachdem das Stipendiengesuch der Beschwerdeführerin abgewiesen worden war, war sie so zu stellen, wie wenn zum Zeitpunkt ihres Gesuch über ihren Sozialhilfeanspruch entschieden worden wäre (E. 4.4).
Der Lohn, welcher ein Arbeitnehmer erhält, ist zur Bestreitung des Lebensunterhaltes für den kommenden Monat gedacht. Der erstmals am 22. August 2006 ausgerichtete höhere Lohn durfte demnach erstmals im ab September 2006 gültigen Budget berücksichtigt werden (E. 6.1). Schulkosten sind im Grundbedarf enthalten. Sie sind im Budget lediglich dann zusätzlich zu berücksichtigen, wenn sie den üblichen Rahmen sprengen. Bei Kosten für Franchise und Selbstbehalte der Krankenkasse handelt es sich nicht um situationsbedingte Leistungen. Sie gehören vielmehr zur medizinischen Grundversorgung und damit zur materiellen Grundsicherung. Deshalb sind bereits angefallene Kosten ins Unterstützungsbudget einzubeziehen und bei der Berechnung der Eintrittsschwelle zum Bezug von Sozialhilfeleistungen zu berücksichtigen (E. 6.2).


Praxishilfen