6.3.01. Aktenführung und Archivierung

Rechtsgrundlagen

Gesetz über den Schutz von Personendaten (Kantonales Datenschutzgesetz) vom 7. März 1994, SHR 172.100

Verordnung über das Staatsarchiv und die Archivierung der Verwaltungsakten (Archivverordnung) vom 8. Februar 1994 (SHR 172.301)

Gemeindearchivverordnung vom 27. Oktober 2009 (SHEV 120.101)

§ 29 SHEV

 

Erläuterungen

1.   Allgemeines

Die Sozialbehörden sind als öffentliche Organe verpflichtet, schriftliche (auch elektronische) Informationen nach den Bestimmungen der SHEV der Archivgesetzgebung zu erfassen und aufzubewahren.

Sie Gemeindearchivordnung regelt hierbei die Grundsätze der Datensammlung als solche. Sie gibt Auskunft darüber, wie Akten zu führen sind, damit das Verwaltungshandeln nachvollziehbar und die Rechenschaftsfähigkeit gewährleistet ist, die Daten sicher sind und die betroffenen Personen ihr Akteneinsichtsrecht vollständig ausüben können. Weitere Bestimmungen befinden sich im Datenschutzgesetz. Die spezialgesetzlichen Ausführungsbestimmungen finden sich in der SHEV.

Die Gemeindearchivordnung regelt die Übergabe von Akten der öffentlichen Organe und damit unter anderem auch der Gemeinden und ihrer Sozialhilfeorgane an die Archive, die Archivierung, den Datenschutz im Archivbereich und die Organisation des Archivwesens. Danach sind die Akten sorgfältig, fachgerecht und reproduzierbar und unter Führung von ausführlichen Verzeichnissen aufzubewahren. Daneben besteht noch kantonale Archivverordnung. Zudem können auch die Gemeinden Ausführungsvorschriften erlassen.

Allgemein gilt, dass bei der Ablage von Akten auf deren Vollständigkeit und Verlässlichkeit und auf eine sinnvolle Ordnung, einen ausreichenden Schutz und eine genügende Erschliessung zu achten ist. Insbesondere müssen auch die Ablageräume abschliessbar sein und die Akten vor schädlichen Einwirkungen geschützt werden.

2.   Aktenführung und -aufbewahrung durch die Sozialhilfeorgane

2.1.   Dauer

Solange für die Arbeit regelmässig auf bestimmte Informationen zugegriffen werden muss, bewahrt die Sozialbehörde diese bei sich auf. Wird ein Fall abgeschlossen (z.B. durch Wegzug oder weil die betroffene Person infolge Arbeitsaufnahme abgelöst werden kann), muss die Akte noch während der Rechtsmittelfrist (vgl. Kapitel 1.2.02) sowie den Verjährungsfristen gemäss Art. 31 SHEG aufbewahrt werden.

 

2.2.   Art der Aktenführung

Die Informationen müssen so verwaltet werden, dass das Verwaltungshandeln nachvollziehbar und die Rechenschaftsfähigkeit gewährleistet ist. Die Vorschrift, die Akten chronologisch zu ordnen, lässt auch das Ablegen von Aktenstücken nach Themenkreisen zu.

Für jeden Hilfsfall (Einzelperson oder Unterstützungseinheit) soll ein separates Dossier geführt werden, wobei es sich um ein elektronisches und/oder ein physisches Dossier handeln kann. Originale, soweit sie nicht über eine elektronische Signatur verfügen, sind grundsätzlich im Papierdossier abzulegen. Im Dossier abzulegen sind sämtliche für

 

wesentliche Unterlagen. Die im Dossier abgelegten Unterlagen müssen mit der Ausrichtung von Sozialhilfe, also der Entscheidung darüber und der Fallführung, im Zusammenhang stehen. Unterlagen, die damit nichts zu tun haben, dürfen nicht aufbewahrt werden. Weiter sind die Gesuche der Betroffenen sowie sämtliche Entscheide der Sozialbehörde oder der von ihr delegierten Stellen im Dossier abzulegen.

Es können sich also folgende Unterlagen in einem Einzeldossier befinden:

  • Genaue Personalien der unterstützten Person bzw. der Unterstützungseinheit

  • Erklärungsformular der Unterstützten: schriftliche Bestätigung zu den finanziellen Verhältnissen sowie zur Informationspflicht

  • Unterlagen der Antragstellenden (Originale oder Kopien), soweit sie zu den Akten genommen werden müssen und die darin enthaltenen Angaben nicht anderweitig erfasst sind

  • Anfragen und Auskünfte bei bzw. von Amtsstellen (Migrationsamt, Einwohnerkontrolle, Strassenverkehrsamt etc.) oder von Dritten

  • Kopien der Anmeldungen bei Versicherungen und entsprechende Verfügungen

  • Bedarfsberechnung bzw. Budgetblatt

  • Doppel von Unterstützungsanzeigen, Nachtragsmeldungen und Rechnungen (vgl. Kapitel 18)

 

  • Auszahlungsbelege (im Doppel oder elektronisch)

  • fallbezogene Korrespondenz mit Unterstützten, Amtsstellen oder Dritten

  • Beschlüsse / Verfügungen der Sozialbehörden und ihrer Organe

  • Aktennotizen über den Inhalt von telefonischen Abklärungen oder von persönlichen Besprechungen

  • fallbezogene Notizen, soweit es sich um relevante Arbeits- und Entscheidungsgrundlagen handelt.

3.    Registrierung der Akten

Durch ein Verzeichnis der Hilfsfälle (manuell oder mittels EDV erstellte Kartei) muss sicher-gestellt sein, dass abgelegte Dossiers rasch und einfach beschafft werden können. Zu diesem Zweck können die einzelnen Hilfsfälle z.B. mit fortlaufenden Geschäftsnummern versehen werden.

4.   Akteneinsicht

4.1.   Während eines laufenden Verfahrens

Gestützt auf Art. 6 des Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen vom 20. September 1972 (SHR 172.200) haben die Beteiligten Anspruch auf Einsicht in die Akten, soweit nicht öffentliche oder schutzwürdige private Interessen entgegenstehen. Für eine sozialhilfebeziehende Person, die Einsicht in ihre Sozialhilfeakten will, sind diese Voraussetzungen grundsätzlich immer erfüllt. Das Akteneinsichtsrecht erstreckt sich auf alle für den Entscheid wesentlichen Akten, d.h. auf jene Akten, die Grundlage einer Anordnung bilden. Nicht dazu gehören rein verwaltungsinterne Akten, d.h. Akten, denen für die Behandlung eines Falles kein Beweischarakter zukommt, sondern die ausschliesslich der verwaltungsinternen Meinungsbildung dienen und somit nur für den behördeninternen Gebrauch bestimmt sind, sogenannte Handakten (z.B. Entwürfe, Anträge, Notizen, persönliche Aufzeichnungen, Mitberichte, Hilfsbelege). Das Recht auf Akteneinsicht nach Art. 6 VRG beinhaltet lediglich den Anspruch, die Akten am Sitz der Behörde einzusehen (und auf eigene Kosten davon Kopien zu machen). Ein Recht, die Akten mit nach Hause zu nehmen oder per Post zugestellt zu bekommen, besteht nicht.

4.2.   Ausserhalb oder nach rechtskräftigem Abschluss eines Verfahrens

Ausserhalb eines förmlichen Verfahrens oder nach Vorliegen einer rechtskräftigen Verfügung, also z.B. nach Ablösung eines Klienten oder einer Klientin von der Sozialhilfe, richtet sich das Akteneinsichtsrecht nach dem Datenschutzgesetz.

Nach Art. 18 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes hat jede Person das Recht, Auskunft über das Vorhandensein einer Datensammlung, ihre Hauptzwecke sowie das verantwortliche öffentliche Organ zu erhalten. Das Auskunftsrecht kann jederzeit geltend gemacht werden.

Die Auskunft umfasst alle über die gesuchstellende Person bei einem öffentlichen Organ vorhandenen Personendaten und zwar unabhängig davon, wer diese erstellt hat (Organ selbst oder z.B. ein Arzt) und in welcher Form diese vorliegen (elektronisch oder in Papier). Das Auskunftsrecht nach Art. 18 des Datenschutzgesetzes umfasst aber nur den Zugang zu den eigenen Personendaten. Wenn einzelne Aktenstücke Personendaten von anderen Personen enthalten, müssen diese Informationen abdeckt werden. Aktenstücke, die nur Informationen über Dritte beinhalten, sind nicht herauszugeben.

Die Auskunft wird in der Regel schriftlich (Ausdruck, Fotokopie) erteilt (Art. 18 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes). Für die Bearbeitung von Auskunftsgesuchen dürfen grundsätzlich keine Gebühren erhoben werden (Art. 18 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes).

Die Auskunft kann durch das angefragte öffentliche Organ nur verweigert oder aufgeschoben werden, wenn der Bekanntgabe eine rechtliche Bestimmung oder überwiegende öffentliche oder schutzwürdige Interessen eines Dritten entgegenstehen (Art. 19 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes). Sie kann vom Nachweise eines schutzwürdigen Interesses des Gesuchstellers abhängig gemacht werden, wenn sie zu einem unverhältnismässigen Verwaltungsaufwand führen würde (Art. 19 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes).

5.   Aufbewahrung der Akten

Weil Sozialhilfedossiers höchstpersönliche Daten der Betroffenen enthalten und sie einem strengen Amtsgeheimnis unterstehen, sind sie möglichst sicher aufzubewahren. Deshalb ist auch durch geeignete Massnahmen sicherzustellen, dass Unberechtigte sich keinen Einblick in die Dossiers verschaffen können. Sozialhilfeakten dürfen nur von Mitgliedern der Sozialhilfeorgane (Sozialbehörde, Sozialdienst, mit den Aufgaben betraute Verwaltungsstelle, Kontrollorgane etc.), soweit sie zur Ausübung ihrer Amtstätigkeit davon Kenntnis haben müssen, eingesehen werden.

Wegen der in Art. 31 SHEG vorgesehenen Verjährungsfrist für Rückerstattungen müssen Sozialhilfeakten mindestens während 20 Jahren ab Auszahlung der letzten Leistungen aufbewahrt werden. Ist bis dahin kein Rückerstattungsgrund eingetreten, so werden die Unterlagen nicht mehr benötigt. Leistungen, für die eine Rückerstattungsverpflichtung aufgrund nichtrealisierbarer Vermögenswerte eingegangen worden ist, unterliegen keiner solcher Verjährung, weshalb die entsprechenden Akten bis zur Rückzahlung (allenfalls aus der Erbmasse) zu behalten sind. Zudem ist zu beachten, dass Rückerstattungsforderungen (mit Ausnahme der grundpfandrechtlich gesicherten) nach fünf Jahren, nachdem die Sozialbehörde von ihrem Entstehen Kenntnis erhalten hat, verjähren. Vorbehalten bleiben die Hinderungs-, Stillstands- und Unterbrechungsgründe nach Obligationenrecht.

6.   Archivierung

Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist (siehe vorstehend Ziffer 5) bietet die Sozialbehörde als öffentliches Organ die Information dem zuständigen Staatsarchiv an (§ 7 Abs. 4 der Gemeindearchivverordnung).

Gemeinden führen eigene, für die Archivierung von Informationen zuständige Archive (§ 2 der Gemeindearchivverordnung). Das Staatsarchiv als zentrales Archiv des Kantons Schaffhausen berät und beaufsichtigt die Archive fachtechnisch (§ 11 Abs. 2 der Gemeindearchivverordnung).

Das zuständige Archiv entscheidet nach Anhörung der Sozialhilfebehörde über die Archivwürdigkeit von Akten. Informationen, welchen nicht archiviert werden, sind durch die Sozialbehörde zu vernichten.

Die Einsichtnahme in Archivbestände richtet sich gemäss § 2 Abs. 3 der Gemeindearchivverordnung.


Rechtsprechung

VB.2013.00550: Die Sozialbehörde verletzte ihre Aktenführungspflicht, indem sie die Unterlagen, die das Sozialhilfegesuch des Beschwerdeführers vom Juli 2010 betrafen, im Juli 2012 vernichtete. Die Nichtbehandlung des Gesuchs verbunden mit der Vernichtung der Verfahrensakten bedeutet eine Rechtsverweigerung (E. 2.4).

VB.2013.00120: E.3.2: Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV umfasst unter anderem den Anspruch der Verfahrensbeteiligten, Einsicht in die Akten zu erhalten und zum Inhalt der Akten bzw. zum Beweisergebnis Stellung zu nehmen (BGE 135 I 187 E. 2.2; 127 I 54 E. 2b; Michele Albertini, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staates, Bern 2000, S. 349 f. mit Hinweisen). Das Akteneinsichtsrecht beschlägt dabei sämtliche verfahrensbezogenen Akten, die sich eignen, Grundlage des Entscheids zu bilden (BGE 132 V 387 E. 3.2).

E.3.3: Grundsätzlich besteht kein Anspruch der Parteien, die Originalakten mitzunehmen oder sich zustellen zu lassen (BGE 116 Ia 325 E. 3d/aa). Aus der verfassungsrechtlichen Mindestgarantie ergibt sich indes ein Recht des Betroffenen, von den Akten, in die Einsicht verlangt und gewährt wird, vor Ort Kopien anzufertigen (BGE 122 Ia 109 E. 2b). Die Sozialhilfebehörde ist diesem Anspruch schliesslich nachgekommen, jedoch erst im Februar 2013, also erst nach dem Entscheid des Bezirksrats. Dadurch wurde es dem Beschwerdeführer erschwert, sein Rechtsmittel genügend zu begründen (vgl. Albertini, S. 226.). Da aber der Beschwerdeführer – wie er selbst ausführt – die Akten vom Bezirksrat erhalten hat, ist eine allfällige Verletzung des rechtlichen Gehörs dadurch geheilt worden (vgl. BGE 136 V 117 E. 4.2.2.2; 133 I 201 E. 2.2).


Praxishilfen

Weitere Informationen zu Aktenführung, -aufbewahrung und -archivierung unter:

Leitfaden Datenschutz im Sozialbereich, insbesondere S. 9